Kinder- und Jugendchor der Singakademie Potsdam widmete sich Hans Krasas Oper "Brundibar" Drucken

Durch Kunst zur Geschichte: Die Hummel von Theresienstadt

Das Ghetto Theresienstadt ist nur ein Beispiel für die unmenschlichen Lager der Nationalsozialisten und war für viele jüdische Menschen die letzte Station vor den Vernichtungslagern oder dem Tod durch Krankheit, Entbehrung und Verzweiflung. Wie kann man Kindern heute ein solches Thema nahe bringen; erklären, was damals geschah?

Thumbnail imageDer tschechisch-deutsche Komponist Hans Krasa, der im Jahre 1944, nach der Internierung in Theresienstadt, in Auschwitz vergast wurde, hat zusammen mit Adolf Hoffmeister 1938 eine in ihrer Schlichtheit und Musikalität unvergängliche kleine Kinderoper geschaffen, die heutzutage die Annäherung an dieses Thema ermöglicht.

Dabei ist es die Geschichte der Oper, ihrer Schöpfer und der Kinder, die sie zwischen 1943 und 1944 über 50 mal auf Theresienstädter Dachböden zur Aufführung brachten, die jene berührt, welche Brundibar heutzutage hören, spielen und singen. Für die Kinder damals bedeutete der „Brundibar" ein Stückchen Freiheit, ein bisschen Normalität und sehr viel Hoffnung.

Die Idee zu diesem Projekt kam im Sommer 2011 von der Leiterin des Spatzenchores und des Kinder- und Jugendchores der Singakademie Potsdam, Konstanze Lübeck und der Geschäftsführerin Kornelia Auraß und stieß bei allen Beteiligten auf große Resonanz. Im Januar begann die musikalische Arbeit, bald danach folgten die ersten szenischen Proben mit dem Brandenburger Schauspieler Steffan Drotleff. Auch konnten wir recht schnell Kooperationspartner gewinnen: An der Städtischen Musikschule Potsdam gründete sich ein Instrumentalensemble unter der Leitung von Andreas Jerye und Matthias Holz und der Treffpunkt Freizeit Potsdam sowie das Brandenburger Theater stellten uns Ihre Bühnen mietfrei zur Verfügung.

Was wir allerdings nicht ahnen konnten, waren die vielen Ablehnungen, die wir auf der Suche nach Projektmitteln erfahren mussten. Bis zuletzt war die Finanzierung gefährdet. Die 3.000 €, die wir dankenswerter Weise vom Landesverband der Musikschulen erhielten, deckten die Ausgaben bei weitem nicht (allein die Notenausleihe kostete ca. 1.400,00 €!). Ohne eine großzügige, kurzfristig gewährte private Spende von 3.000,00 € eines Angehörigen wäre am Ende ein großes Minus übrig geblieben. Es ist schon frustrierend, wenn man für ein solches Projekt, was nicht nur für die beteiligten Akteure selbst, sondern darüber hinaus für fast 600 zuschauende SchülerInnen lebendige Geschichte vermittelt, kein Gehör findet!

In der eigentlichen Arbeit an diesem Großprojekt fanden wir viele Unterstützer: Allen voran Steffan Drotleff, der sogar mitfuhr in das einwöchige Sommerprobenlager, wo er für die Chorkinder nicht nur fordernder Regisseur sondern auch zum Freund wurde. Eltern und Großeltern halfen bei der Beschaffung und Anpassung der Kostüme (professionell angeleitet von der Gewandmeisterin Karoline Piper), wobei manch lustige Entdeckung in den Tiefen alter Kleiderkisten zu Tage kam. Auch das „Catering" für die vielen ganztägigen Zusatzproben wurde äußerst schmackhaft durch unsere Eltern übernommen. Die Bühnendekoration entstand aus billigen Baumarkt-Zaunteilen und etwas Farbe und erstaunte alle mit ihrer tiefen emotionalen Wirkung.

Um sowohl die Chorkinder als auch die Zuschauer für die besondere Geschichte dieser Oper zu sensibilisieren, stellten wir dem eigentlichen Stück einen Prolog vornweg, in dem das Thema Judenverfolgung und besonders die Lebensumstände der Kinder im Ghetto kindgerecht aufgearbeitet wurden. Zur Vorbereitung der Schüleraufführungen besuchte Konstanze Lübeck im Vorfeld außerdem die einzelnen Schulklassen (Klassenstufe 4-9) und gab eine einstündige Einführung. Dabei traf sie durchweg auf sehr interessierte Schüler und Lehrer.

Insgesamt gab es fünf Aufführungen vor ausverkauftem Hause, sowohl im Potsdamer Treffpunkt Freizeit als auch in der Studiobühne des Theaters Brandenburg. Der lang anhaltende Applaus, Zugaben, zahlreiche Rückmeldungen aus dem Publikum nach den Vorstellungen, lobende Zeitungskritiken und natürlich die Freude des Chores und des Orchesters an den Aufführungen, verbunden mit der Bitte der Beteiligten, dieses Projekt nun noch nicht als beendet anzusehen, gipfelte zu unserer Freude in der Einladung eines tschechischen Chores aus Trebic, der es uns nun ermöglicht, die wunderschönen Melodien des Leierkastenmannes Brundibar, der Geschwister Aninka und Pepicek, der Tiere und der vielen anderen Bewohner des Städtchens erneut zu singen, zu spielen, zu hören; und vielleicht mit denselben Ohrwürmern nach Hause zu gehen, wie jene Kinder und Erwachsenen des Theresienstädter Ghettos, deren Geschichte wir nun in uns tragen.

Singakademie Potsdam
05.01.2012

Die Aufführungen fanden statt am 8. und 10.11.2011 in Potsdam sowie am 13. und 14.11.2011 in Brandenburg.