Berliner Singakademie setzt 2012 Eislers Deutsche Sinfonie aufs Programm Drucken

Reizvoller Kontrast: Eisler und Mendelssohn in einem Konzert

Hanns Eisler am 21.03.1950 in Berlin, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst - Zentralbild (Bild 183) Accession number Bild 183-19204-2132Wieder einmal beschäftigt sich die Berliner Singakademie mit einem musikalischen Werk der Exilliteratur. Nach dem „Deutschen Miserere" von Paul Dessau wird aus Anlass des 50. Todestages von Hanns Eisler dessen „Deutsche Sinfonie" aufgeführt. Es ist als Abschlusskonzert der Höhepunkte einer Woche in Berlin, die sich mit dem Werk Eislers auseinandersetzt. Kooperationspartner sind neben der Singakademie die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft, das Konzerthaus Berlin sowie die Akademie der Künste und die Berliner Festspiele.

Die „Deutsche Sinfonie" gilt als das bedeutendste Werk von Hanns Eisler. Im Wesentlichen 1936 bis 1939 in den USA entstanden, ist es ein künstlerisch hoch interessantes musikalisches Dokument gegen die Verbrechen der Nazis. Eisler war stets ein politischer, aber keineswegs agitatorischer Komponist, als den ihn manche Kulturfunktionäre der DDR gerne vereinnahmt hätten. Schon alleine seine musikalische Herkunft machte ihn suspekt: In der DDR war alles verpönt, was mit der Schönberg-Schule zusammenhing. Eisler war neben Webern und Berg einer der wichtigsten Schüler Schönbergs, der zwar in den zwanziger Jahren mit ihm gebrochen hat – Eisler empfand Schönberg Musik zunehmend als Teil des bürgerlich-elitären Musikbetriebs – der sich gleichwohl aber nie von seinem Lehrer musikalisch völlig gelöst hat. So bleibt er in seiner Kammermusik, aber eben auch in der „Deutschen Sinfonie" der Zwölftontechnik verhaftet, die er aber hier mit vielen tonalen Elementen mischt. Alles was aus der Schönberg-Schule kam und zudem noch aus dem westlichen Exil, war in der DDR nicht wirklich erwünscht. So wurde die „Deutsche Sinfonie" erst 1959 in der DDR aufgeführt. Aber besser erging es Eisler auch im Westen nicht. Dort war er fast nur bekannt als Komponist der Nationalhymne mit dem Text von Johannes R. Becher. Das reichte zu seiner Ablehnung. Umso wichtiger, dass sich die Berliner Singakademie und andere diesem Komponisten widmen, dessen Musik auch bei den Nazis als „entartet" galt, und der wegen „unamerikanischer Umtriebe" in der McCarthy-Ära auch in den USA nicht bleiben konnte. Wenn überhaupt so oft, ist das Werk maximal zehnmal aufgeführt worden.

Über die Bezeichnung Sinfonie mag man streiten. Auf jeden Fall ist es ein Vokalwerk, eine Vokalsinfonie mit vier Solisten und einem erheblichen Anteil an Chormusik. Allerdings überwiegen solistisch gestaltete Stücke. Von den elf Teilen sind lediglich drei, in denen nur das Orchester musiziert. Der Aufbau entspricht eher einer Kantate mit solistischen Partien, mit Teilen, in denen Solisten und Chor gemeinsam singen, bzw. in denen nur der Chor und das Orchester zu tun haben.

Die Aufgaben für den Chor sind nicht leicht zu bewältigen, da die Zwölftontechnik deutliche Anforderungen an die Intonationssicherheit stellt. Das Werk ist durchdrungen von zahlreichen kleinen und großen sich stets abwechselnden Sekundschritte, stets auf- oder absteigenden übermäßigen Quarten (Tritonus), ungewöhnlichen (Dis)Harmonien, rhythmischen Eigenheiten und gewöhnungsbedürftigen Übergängen. Einzelproben sind dringend zu empfehlen. Aber wie immer, wenn man sich mit unbekannten, ungewöhnlichen Werken beschäftigt, merkt man, wie sehr es sich für einen Chorsänger, eine Chorsängerin lohnt, sie kennen zu lernen. Natürlich wegen der Werke selbst, aber auch weil es eine gute Schulung ist. Es lohnt sich.

Die Berliner Singakademie kombiniert dieses Werk mit Felix Mendelssohn Bartholdys 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser". Das ist natürlich ein vor allem musikalischer Kontrast par excellence, gleichwohl existieren Passagen, die Eisler in der jüdischen-alttestamentarischen Tradition stehend sehen. So setzt er sich in der Nummer acht, der „Bauernkantate" explizit mit der Gottesfrage auseinander. Was ist das für ein Gott, der etwa durch Naturkatastrophen die Armen ruiniert? „Gibt es niemand, dem er Rechenschaft schuldig ist?" Von solchen Fragen ist das Alte Testament voll, in dem das Volk mit Jahwe rechtet und von ihm Rechenschaft verlangt. Und so fragt auch der Psalmist: „Warum hast Du meiner vergessen?" Und der Feind des glaubenden Menschen fragt: „Wo ist denn nun dein Gott?" Natürlich gibt der alttestamentarische Autor eine andere Antwort als Eisler, der allerdings diesen Teil auch mit der Frage endet „Was ist das für ein Gott?"

Kombinieren könnte man die „Deutsche Sinfonie" natürlich auch mit anderen Werken von exilierten Komponisten, der gestalterische Reiz liegt aber bei Werken aus anderen Epochen. Und da bietet sich eine passende Bach-Kantate an, den Eisler sehr verehrte und dem er sogar in der „Deutschen Sinfonie" eine Reminiszenz mit B-A-C-H widmet.

Konzerttermin:
11.09.2012, 20 Uhr, Konzerthaus Berlin
Ausführende: Yeree Suh (Sopran), Annette Markert (Mezzosopran), Henryk Böhm (Bariton), Egbert Junghanns (Bass), Berliner Singakademie, Konzerthausorchester, Dirigent: Achim Zimmermann

29.08.2012
Nikolaus Sander