Von höchster kompositorischer Raffinesse: Über das Schaffen von Iannis Xenakis Drucken

Konzertprojekt des Bach-Vereins Köln

Thumbnail imageDas herausragende Werk des griechisch-französischen Komponisten Iannis Xenakis (1922-2001) steht im Mittelpunkt eines außergewöhnlichen Projektes, das der Bach-Verein Köln für das Kölner Musikfestival „Acht Brücken“ erarbeitet hat. Xenakis hat mit seinen mathematischen Kompositionsverfahren die elektronische Musik wesentlich mitgeprägt. Im Konzert am 9. Mai 2013 (Kunst-Station St. Peter, Köln) wird die Entwicklung Xenakis' anhand von sechs exemplarischen Kompositionen aufgezeigt. Im Kontext der Reihe „Bach+“ werden diese den Kontrapunkten aus der Bachschen „Kunst der Fuge“ gegenübergestellt.

Thomas Neuhoff, Künstlerischer Leiter des Bach-Vereins Köln, zum Schaffen von Iannis Xenakis:
Xenakis gilt immer noch als der radikalste Komponist des 20. Jahrhunderts, denn in die Werke dieses politisch engagierten Intellektuellen sind auch nichtmusikalische Ideen einbezogen und führen zu einer Synthese aus Musik, Architektur, Mathematik und Philosophie. Autobiografische Züge weist die ausgewählte Vokalmusik des gebürtigen Griechen auf: In dem in seiner Wahlheimat Frankreich geschriebenen Nachkriegswerk „Zyia“ ruft Xenakis – selbst nur knapp dem Tod entgangen – in seiner Muttersprache auf zum Kampf für die Freiheit und evoziert den „Frühling, der nun angefangen hat“. Die rhythmischen Muster des Klavierparts sind aus der Fibonacci-Zahlenreihe entwickelt, während die Singstimmen folkloristische Züge aufweisen. Nach diesem in der Nachfolge Bartóks geschriebenen Jugendwerk von 1952 entwickelte Xenakis seinen ganz eigenen, innovativen Kompositionsstil, dabei weniger inspiriert durch den zeitweiligen Lehrer Messiaen als durch die bis 1959 andauernde Zusammenarbeit mit dem Architekten Le Corbusier.

Als Antipode der Komponisten serieller Musik schuf er aus einem naturwissenschaftlich-technischen Ansatz heraus die „Stochastische Musik“ (mit Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie entstehen hier aus einer Rechenmaschine „Wolken“ aus Klang). Das Umsetzen grafischer Kurven in Musik auch mit digitalen Rechnern erfolgte ab 1966 in einem eigens dafür gegründeten Pariser Zentrum (CEMAMu). Die Kenntnis solch komplizierter Zusammenhänge ist für das Hören der Musik von Xenakis nicht zwingend, ein Werk wie „Nuits“ (1967) zieht ganz einfach durch seine völlig neuartige Behandlung auch von Singstimmen in den Bann (und gilt deswegen bis heute als Prüfstein für A-cappella–Vokalensembles). Um auf die (selbst erlebte) Not und Sprachlosigkeit politischer Gefangener hinzuweisen, besteht dieses „Nachtstück“ nur aus altpersischen und sumerischen Silben und Phonemen. 

Thumbnail imageHingegen ist der Text des archaisch wirkenden „A Colone“ (1977) dem „Oedipus auf Kolonos“ des Sophokles entnommen, laut Xenakis vereinen sich hier „die Melodielinien mit der Sprachmodulation jener Zeit“. Von höchster kompositorischer Raffinesse – und hierin den von Xenakis für das Kloster Sainte-Marie de la Tourette entworfenen Kirchenfenstern vergleichbar – ist „Serment“, der „Eid des Hippokrates“, ein 1981 im Auftrag des Kardiologen-Kongresses in Athen komponiertes Chorwerk. 

Aus dem mehr als 130 Titel umfassenden Xenakis-Gesamtwerk erklingen in der Kunst-Station St. Peter neben der Vokalmusik auch zwei Stücke für Instrumente, die der Komponist besonders liebte: „Gmeeoorh“ ist mit seinen an elektronische Musik erinnernden Klängen wie geschaffen für die 2004 von Willi Peter erbaute und seither ständig erweiterte Orgel. Bei „Opphaa“ wird das Cembalo akustisch verstärkt und dialogisiert mit dem Schlagzeug, welches von leeren, unterschiedlich großen Blumentöpfen dominiert wird. Da sich Xenakis in seinen Studienjahren intensiv mit Musik von Bach befasst und von dessen Fugen mehrfarbige grafische Darstellungen auf Millimeterpapier angefertigt hat, werden die Xenakis-Werke beim Komponistenporträt des Bach-Vereins Köln durch Kontrapunkte aus der „Kunst der Fuge“ verbunden.

„Die Musik ist, kraft ihres abstrakten Wesens, die erste der Künste, welche die Versöhnung wissenschaftlichen Denkens mit künstlerischer Schöpfung vollzogen hat“

Iannis Xenakis, aus: „Musiques formelles“, 1963

Informationen
Bach+Xenakis, Musik - Architektur – Mathematik |  9. Mai 2013, 20:30 Uhr | Kunst-Station St. Peter, Jabachstraße 1, Köln | Christiane Oelze, Sopran; Sofia Gvirts, Mezzosopran; Dominik Susteck, Orgel; Andreas Skouras, Klavier und Cembalo; Martin Piechotta, Percussion; Dirk Peppel, Flöte; Andrew Joy, Horn; Raphael Vang, Posaune; Nicholas Selo, Cello; Miriam Shalinsky, Kontrabass;  Vokalensemble und Chor des Bach-Vereins Köln; Thomas Neuhoff, Dirigent

Bach-Verein Köln, VDKC
12.04.2013