Philharmonischer Chor der Stadt Bonn: Schülerprojekt mit Ludwig van Beethovens „Meeresstille und Glückliche Fahrt“ Drucken

Fächerübergreifende Auseinandersetzung mit Text und Musik

Thumbnail imageAuf der Überfahrt von Sizilien nach Neapel erlebte Goethe eine lebensbedrohende Flaute, in der sein Schiff auf eine Felseninsel zugetrieben wurde und dort zu zerschellen drohte. In buchstäblich letzter Minute kam doch noch Wind auf, die „glückliche Fahrt“ nach Neapel konnte fortgesetzt werden. Diese Episode vermerkt Goethes Tagebuch vom Mai 1787. Nach seiner Rückkehr in Weimar verdichten zwei kontrastive lyrische Texte das Erlebte zu konzentrierten Naturbildern.

Beethoven greift in seiner Chorkantate op. 112 den kontrastiven Charakter der Texte „Meeresstille“ und „Glückliche Fahrt“ musikalisch auf, so etwa durch extreme Pianissimi mit plötzlich ausbrechendem Crescendo die „Todesstille – fürchterlich!“, durch aufsteigende Läufe zu Beginn des zweiten Teils den Beginn der rettenden Luftbewegung.

Der Philharmonische Chor der Stadt Bonn sang dieses Werk am 16.12.2013 im Rahmen einer „Beethoven-Nacht“. Am 13.12.2013 ging dieser Aufführung die Präsentation eines Schüler-Projekts der Klasse 6c in der Aula der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule in Bonn Bad Godesberg voraus.

Ein Lehrerteam der Fächer Deutsch, Musik und Sport hatte seit den Herbstferien mit den Kindern der Klasse 6c an der Musik Beethovens und an Goethes Texten gearbeitet. Das Projekt konnte nur deshalb über einen so langen Zeitraum durchgeführt werden, weil alle Fächer darauf bedacht waren, die Kernlehrpläne sowie die im 6. Jahrgang zu erwerbenden fachspezifischen Kompetenzen im Blick zu behalten.

Im Fach Musik erarbeiteten die Kinder der 6c anhand der Goethetexte in Gruppen eigene instrumentelle Kompositionen für die extremen Gefühle „Todesangst“ und „Lebensfreude.“ Sie lernten, ihre Ergebnisse schriftlich zu reflektieren und mittels grafischer Notation festzuhalten, sie also wiederholbar und konservierbar zu machen. Außerdem wurden ausgewählte Schülerinnen und Schüler des Schulchores von Thomas Neuhoff und dem Musiklehrer auf eine Mitwirkung im Konzert vorbereitet.

Im Fach Sport erarbeiteten zwei Kolleginnen tänzerisch-pantomimische Sequenzen zu Beethovens Version der „Glücklichen Fahrt“, denen der Einsatz von blauen Bändern einen besonderen optischen Effekt verlieh. Auch hier waren die Kinder gehalten, selbst Ideen zu entwickeln und sich in Gruppen über die Bewegungsabläufe zu der ungewohnten klassischen Musik zu verständigen.

Thumbnail imageDas Fach Deutsch hatte mit drei Wochenstunden den größten zeitlichen Anteil an der Vorbereitung der Präsentation, zudem musste gewährleistet werden, dass neben darstellenden Elementen auch Sprachtraining und Textproduktion Gegenstand des Unterrichts waren, nur so konnte im Rahmen des Projekts auch eine Ende November fällige Klassenarbeit geschrieben werden. Zunächst musste den Kindern ein Zugang zu Inhalt und emotionalem Gehalt der Texte geebnet werden. Es bot sich an, als Einstieg eine Art „Seeräuberatmosphäre“ zu schaffen mit Geisterschiffen, Riesenkraken und anderen Monstern. Hieraus ergaben sich Schreibmuster für vielfältiges „Seemannsgarn“ der Matrosen. Die Porträts der Passagiere auf dem Schiff wurden gemalt und sie kamen auch selbst zu Wort, stellten sich in Form von „Rollenbiografien“ vor. Auch „Gestaltendes Sprechen“ ist ein Element des Kernlehrplans Deutsch für den 6. Jahrgang. Um dies zu trainieren, studierten die Kinder nicht nur einen kurzen Dialog der Passagiere und Matrosen ein, sondern auch eine szenische Rezitation der Goethe-Gedichte.

Sowohl mit den tänzerischen Gruppenaktionen im Fach Sport, als auch mit dem  gestaltenden Sprechen in der Gruppe knüpften wir an Aktionen auf der Klassenfahrt vor den Herbstferien an, die den Zusammenhalt und das Vertrauen zueinander in der Klasse durch gemeinsames Tun hatten festigen sollen. Dies ist gelungen: „Das Projekt hat uns richtig zusammengeschweißt“, sagte eine Schülerin nach der Präsentation. Eine kleine Ausstellung in der Klasse mit Texten und Bildern wird noch lange daran erinnern.

Den Abschluss fand das Projekt im Besuch der 6c bei der Generalprobe für das Konzert in der Beethovenhalle bei der die Chorkinder nach wiederholten Proben zusammen mit dem Philharmonischen Chor erstmals auf der Bühne standen. Dieser „außerschulische Lernort“ verlangte noch einmal höchste Konzentration und Stille von allen. Mit Staunen wurden die arbeitenden Musiker und ihre Leistungen betrachtet und danach viele Fragen gestellt, die Chorkinder fügten sich in den Philharmonischen Chor ein und gaben in Generalprobe und Aufführung ihr Bestes.

Eva de Voss
13.01.2014