Sing-Akademie zu Berlin: Vier Passionen von Carl Philipp Emanuel Bach am Karfreitag Drucken

Berliner Bach wird gefeiert und Raritäten aus der Musikaliensammlung präsentiert

Thumbnail imageDie Vokalmusik von Carl Philipp Emanuel Bach wird derzeit allerorten neu entdeckt. Im Reigen dieser Feierlichkeiten zu seinem 300. Geburtstag stellt der diesjährige Karfreitag (18.04.2014) gewiss einen besonderen Höhepunkt dar. Denn die Sing-Akademie zu Berlin lädt zu gleich vier Passionen des Komponisten ein, die sie in vier Berliner Stadtkirchen zur Aufführung bringen wird.

Der traditionsreiche Chor hat dazu allein schon deshalb die besten Voraussetzungen, weil er die weltweit größte CPE-Bach-Sammlung an Autographen und Musikhandschriften im privaten Besitz sein Eigen nennen darf. Als der nach dem zweiten Weltkrieg lange verloren geglaubte Schatz 2001 aus der Ukraine wieder zurück nach Berlin kehrte, stellte man fest, dass sich darin auch 21 Passionsmusiken aus Bachs Hamburger Zeit befinden.

Seit 1767 war C.P.E. Bach als Musikdirektor in Hamburg verantwortlich für die Kirchenmusik der fünf Hauptkirchen. Dabei gehörte es zu den alljährlichen Pflichten, eine neue Passionsmusik aufzuführen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1788 hatte Bach jedes Jahr eine neue Passion zu kompilieren, und zwar stets nach einem anderen Evangelium.

Bei den dabei entstandenen Musiken bediente sich Carl Philipp Emanuel eines Pasticcio-Verfahrens: Aus den Werken anderer, von ihm besonders geschätzter Kollegen stellte er neue Musiken für seinen Gebrauch zusammen und komponierte nur dort selber hinzu, wo er neue Akzente setzen wollte oder wo ihm etwas fehlte. Es hatte für die Zeitgenossen nichts Ehrenrühriges, sich der Werke anderer zu bedienen und so deren Qualitäten herauszustellen. Der Gedanke vom künstlerischen Originalgenie, das alles aus sich selbst herausschöpft, war noch nicht geboren. Der Aufführungscharakter freilich – das zeigen auch die dynamischen Eintragungen in die Partituren – muss so eigenwillig und für Carl Philipp Emanuel typisch gewesen sein, dass die Zeitgenossen ohnehin überall seine Handschrift sahen. Bedingt durch die Hamburger Gottesdienstordnung dauern alle Musiken nur eine Stunde.

Diese Kürze ist es, die der Sing-Akademie ermöglicht, vier Passionen an einem Tag aufführen zu können. Am Morgen beginnt der Kammerchor mit einer Lukas-Passion (1771) in der Sophienkirche. Um 14 Uhr folgt eine Johannes-Passion (1776) in der Matthäuskirche, gesungen von einem Vokalquartett, um 17 Uhr lassen die Knaben des Staats- und Domchors in der Zehlendorfer Pauluskirche eine Matthäus-Passion (1769) erklingen. Und der Tag endet am späteren Abend um 21 Uhr mit einer Markus-Passion (1774), die in der Gethsemanekirche vom großen Chor der Sing-Akademie interpretiert wird.

Thumbnail imageWer die Chance nicht verpassen möchte, alle vier Passionen kennenzulernen, der kann mit einem Bus von Kirche zu Kirche fahren und sich in die Werke einführen lassen. Dabei wird er unter anderem mehr über die Quellen erfahren, derer Carl Philipp Emanuel Bach sich bedient hat und so ganz nebenbei einen panoramatischen Blick auf die Geschichte der Passionsmusik im 18. Jahrhundert werfen können.

Als Komponisten der Chöre aus der Lukas-Passion sind der Hamburger Amtsvorgänger Georg Philipp Telemann ebenso zu entdecken wie die Gothaer Kapellmeister Stölzel und Georg Anton Benda. Ganz im Zeichen des Dresdner Kreuzkantors Gottfried August Homilius stehen die Chorsätze der abendlichen Markus-Passion. Und die 1769 zu Bachs Amtsantritt in Hamburg komponierte Matthäus-Passion ist eine klar erkennbare Referenz an den Vater Johann Sebastian. Eigen und einem ganz anderen, neuen Geist sind hingegen die Arien und Accompagnati, allesamt von Carl Philipp Emanuel Bach selbst komponiert. In allen vier Passionen lassen sie einen Komponisten entdecken, der den kirchlichen Geist der Väter mit dem himmelsstürmenden, feurigen Esprit der Aufklärung aufs Beste zu vereinen verstand.

Sing-Akademie zu Berlin
07.04.2014

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