Carmina Mundi und die 5. Internationale Chorbiennale in Aachen Drucken

Wie auch Chormusik Brücken bauen kann

Thumbnail imageEs ist die Nacht zum Sonntag. Mitternacht. Der Aachener Marktplatz ist prall gefüllt mit Menschen – fast so, als wäre endlich mal wieder ein Aufstieg des zuletzt arg gebeutelten Traditions-Fußballvereins Alemannia Aachen zu feiern. Doch als großer und kleiner Uhrzeiger die Zwölf gerade hinter sich gelassen haben, treten oben auf der Rathaustreppe nacheinander vier Chorleiter und Aachens scheidender Generalmusikdirektor an die Brüstung, stimmen ein Lied an und dirigieren die Menge unter ihnen. Diese singt lautstark mit, ohne Instrumentalunterstützung, einfach so. Unter anderem auch „Der Mond ist aufgegangen“ und die „Europahymne“. Es ist das „Farewell“, der Abschied, der Schlusspunkt der 5. Internationalen Chorbiennale in Aachen vom 9. bis 17. Juni 2017.

Einer dieser Chorleiter ist Harald Nickoll. Er gründete 1983 den Aachener Kammerchor Carmina Mundi und pflegt mit diesem bis heute die Umsetzung seiner Klangphilosophie: Singen im Naturklang unter Einbeziehung der natürlichen Obertöne. Das Repertoire umfasst vorwiegend geistliche und weltliche A-cappella-Chormusik verschiedener Länder, Kulturen und Epochen. Damit konnte der Chor bereits diverse Erfolge verbuchen, unter anderem war er Gewinner des Deutschen Chorwettbewerbes und Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe.

Carmina Mundi ist einer der vier Initiativchöre, die die Aachener Chorbiennale mit ins Leben riefen. Eines ihrer wichtigsten Merkmale ist, dass internationale Spitzenchöre eingeladen werden, die dann auch gemeinsam mit den Initiativchören Konzerte geben. 2009 gab es die Premiere dieser Reihe, die auch in diesem Jahr – und das bei schwierigeren finanziellen Rahmenbedingungen - wieder ein voller Erfolg war: ein überwältigender Publikumszuspruch, ausverkaufte Konzerte, zum Bersten gefüllte Kirchen etwa bei mittäglichen sogenannten Lunch-Konzerten. Mehr als 100 Chöre nahmen teil, darunter Gastchöre aus Frankreich, Schweden, Finnland, Slowenien und der Ukraine. Die diesjährige Chorbiennale stand unter dem Motto „Bridges“. Wie können wir Gräben überwinden, Brücken bauen? Wie kann die Musik Brücken bauen? Ein hochaktuelles Thema in bewegten Zeiten.

Thumbnail imageHarald Nickoll hatte das Konzert von Carmina Mundi, das der Kammerchor gemeinsam mit dem renommierten französischen Ensemble Mikrokosmos gestaltete, passend dazu unter den Obertitel „Advance Democracy“ gestellt. Eindeutig Position beziehen für die Demokratie – auch so geht es! Natürlich spielte das gleichnamige Chorstück von Benjamin Britten eine zentrale Rolle im Programm, das ganz unterschiedliche Akzente setzte. So stand beispielsweise das meditative, introvertierte „The Deer’s Cry“ von Arvo Pärt neben Randall Stroopes ausdrucksstarken, von Gesten und Bewegungen untermalten „The Conversion Of Saul“ und Eric Whitacres Arrangement des Depeche-Mode-Popsongs „Enjoy The Silence“. Ein fesselnder Spannungsbogen, wie er typisch ist für die Konzerte Carmina Mundi – und bestens ankommt.

Die Mitglieder von Carmina Mundi kümmerten sich einmal mehr mit um die Organisation und Durchführung der Biennale, halfen, wo sie gebraucht wurden, beherbergten ausländische Sängerinnen und Sänger. Und stimmten selbstverständlich beim „Farewell“ auf dem Markt gemeinsam mit der Menschenmenge die Abschlusslieder an wie eben „Der Mond ist aufgegangen“ – ein letzter Brückenbau der 5. Internationalen Chorbiennale in Aachen.

Informationen: www.carmina-mundi.de

Andreas Herkens
12.07.2017