Rückblick zum Dresdner Stimmforum 2019: Die Stimme in neuer Musik Drucken

Wichtige Impulse zur neuen Musik aus kompositorischer, sängerischer und stimmwissenschaftlicher Sicht

Thumbnail imageDer Einsatz und die Belastung der menschlichen Stimme in neuer Musik wird in der öffentlichen Diskussion regelmäßig thematisiert. Dabei geht es oft um die Frage, ob das Potential der menschlichen Stimme durch das Spektrum künstlerisch-vokaler Äußerungen in der bisherigen musikgeschichtlichen Entwicklung bereits abgebildet ist und ob sich neue klangliche Vorstellungen in zeitgenössischen Kompositionen anhand der anatomisch-funktionellen Voraussetzungen des menschlichen Stimmapparates überhaupt umsetzen lassen. Falls diese Voraussetzungen nicht gegeben wären, stünde die oft mit neuer Musik und Singen in Zusammenhang gebrachte Überforderung der menschlichen Stimme bis zur dauerhaften stimmlichen Funktionseinschränkung im Raum.

Das traditionell im Zweijahresrhythmus an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber veranstaltete Dresdner Stimmforum widmete sich in diesem Jahr am 16. März 2019 unter Leitung von Prof. Dr. Dirk Mürbe der Stimme in neuer Musik. In Kooperation des Studios für Stimmforschung der Hochschule für Musik mit AuditivVokal Dresden sowie der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité Universitätsmedizin Berlin, dem Verband Deutscher Konzertchöre VDKC und dem Festival TonLagen – Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik wurden jene Professionen zusammengebracht, die in Entstehungsprozesse und praktische Ausführung sowie in gesangspädagogische Aspekte neuer Musik einbezogen sind. In verschiedenen Präsentationsformaten konnten zentrale Fragestellungen des Stimmforums, wie das Zusammengehen von kompositorischen Visionen, stimmtechnischer Vielfalt und stimmphysiologischen Grenzen im interdisziplinären Diskurs erörtert werden.

Thumbnail imageIn Vorträgen auf Einladung stellten herausragende Fachvertreter Bezüge zur musikwissenschaftlichen und klinischen Sicht auf die Thematik dar. Prof. Dr. Jörn Peter Hiekel charakterisierte die stimmlichen Anforderungen neuer Musik für verschiedene Epochen und Stilrichtungen aus Sicht der Musikwissenschaft und belegte die entsprechenden vokalen Entwicklungen. Zur Frage von Stimmgesundheit und Stimmbelastung konnte Prof. Dr. Bernhard Richter vom Universitätsklinikum Freiburg darstellen, dass die funktionelle Kapazität des Stimmapparates umfängliche weitere Entwicklungen ermöglicht und neuartige Klangproduktionen im Bereich zeitgenössischer Musik bei entsprechender Sensibilisierung, stimmhygienischen Maßnahmen und entsprechender Technik ohne Schädigung der gesunden Stimmfunktion durchgeführt werden können. Die Rundtischgespräche profitierten insbesondere von den individuellen Darstellungen stimmlicher Klangvisionen bekannter Komponisten wie Gerhard Stäbler und Richard Röbel, die zum Teil auch in praktischen Ausführungen die Mannigfaltigkeit künstlerisch-stimmlicher Äußerungen erlebbar machten. Dies wurde ergänzt durch den immensen Erfahrungsschatz und das künstlerische Potential namhafter Interpretinnen und Interpreten neuer Musik wie Sarah Maria Sun, Carl Thiemt und Angela Wingerath. Der besondere gesellschaftliche Bezug von Stimme wurde in der Diskussionsrunde über weltbezogene Musik für Stimmen im 21. Jahrhundert in Kooperation mit dem Festival TonLagen Europäisches Zentrum der Künste Hellerau vorgestellt.

Das im Bereich neuer Musik Maßstäbe setzende künstlerische Ensemble AuditivVokal Dresden ermöglichte unter Leitung seines Gründers Olaf Katzer die Aufführung erlesener Miniaturen neuer Musik, die vom Publikum gefeiert wurde. Die programmatische Konzeption des diesjährigen Dresdner Stimmforums wurde von dem durch künstlerische Vielfalt und umfängliche wissenschaftliche Basis beeindruckten Auditorium außerordentlich wertgeschätzt und soll der weiteren Wegbereitung neuer Musik aus kompositorischer, sängerischer und stimmwissenschaftlicher Sicht dienen.

Dirk Mürbe, Olaf Katzer
30.08.2019