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Neufassung von Karl Marguerre und Dorothee Heath

Thumbnail imageSeit langem wird immer wieder die Frage diskutiert, inwieweit die von Franz Xaver Süßmayr vollendete und instrumentierte Fassung des unvollendeten Requiems KV 626 von W. A. Mozart tatsächlich den Intentionen des Komponisten entspricht. Friedrich Blume schrieb 1963 in seinem Aufsatz „Requiem und kein Ende“, dass seiner Meinung nach die Beschränkung der Holzbläserbesetzung auf zwei Bassetthörner und zwei Fagotte von Mozart nicht für das gesamte Requiem beabsichtigt gewesen sein könnte: „So, wie Süßmayr es gemacht hat, war's gewiss nicht Mozarts Absicht.“

Nachdem die neuesten gründlichen Quellenforschungen ergeben haben, auf welch unterschiedliche Weise und durch welche Autoren die Partitur des Requiems entstanden ist, sind in den letzten Jahrzehnten mehrere Versuche gemacht worden, die Ungenauigkeiten und Unklarheiten in der Partitur dieses Meisterwerks zu klären und zu verbessern.

Neben der 1971 und 1979 erschienenen Bearbeitung durch den Münchner Bratschenprofessor Franz Beyer sind weitere Neufassungen u.a. durch Richard Maunder (1983) und Robert Levin (1991) erschienen, die beide starke Eingriffe in den überlieferten Text aufweisen.

Seit 2016 existiert nun eine weitere Neufassung des Werkes von Karl Marguerre (1906-1979) und Dorothee Heath. Marguerre, im Hauptberuf eigentlich Professor für Mathematik und Mechanik, gilt als profunder Mozartkenner. Er hat unter anderem die erste Urtextausgabe der Violinsonaten Mozarts herausgegeben. Die jetzt von seiner Enkelin Dorothee Heath vorgelegte Neufassung des Mozart-Requiems geht auf einen Aufsatz Marguerres im Mozart-Jahrbuch 1962/63 zurück. Die Arbeit von Marguerre zeichnet sich dadurch aus, dass sie neben Fehlerkorrekturen und kleineren Änderungen stilistisch zweifelhafter Passagen in der Partitur der Süßmayr-Fassung auch die Bläserbesetzung erweitert. Er beruft sich dabei auf den eingangs zitierten Aufsatz von Blume. So analysiert er die Affekte und Stimmungen der einzelnen Sätze und fügt je nach dem Textcharakter noch Flöten, Klarinetten oder Oboen der Besetzung hinzu.

Änderungen in der Partitur von Süßmayrs Kompositionsanteil werden durch Dorothee Heath erläutert und begründet (z.B. im „Lacrimosa“, im „Sanctus“, „Benedictus“ und im „Agnus Dei“). Aufführungen dieser neuen Requiem-Fassung in Münster 2016 und Augsburg 2017 wurden von der Presse sehr positiv beurteilt.

Das Aufführungsmaterial liegt jetzt gedruckt im Eigenverlag von Dorothee Heath vor (Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. oder Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. , www.dorothee-heath.com). Eine CD-Aufnahme beweist, dass diese Erweiterung des Klangbildes der Wirkung des Werks sehr zuträglich ist und den Absichten Mozarts wohl besser entspricht als die aus der Not heraus entstandene Fassung Süßmayrs.

So kann man den Chorleiter-Kollegen und -Kolleginnen sehr empfehlen, sich auch einmal mit der Neubearbeitung von Karl Marguerre/Dorothee Health zu befassen und diese für eine Aufführung des Mozart-Requiems ins Auge zu fassen. Einzelheiten werden von Dorothee Heath ausführlich in den folgenden Ausführungen begründet.

Hans Gebhard, Reinhold Stiebert, VDKC
18.01.2019

Zur Instrumentalbesetzung und Instrumentation des Requiems KV 626 von W.A. Mozart in der Fassung von Karl Marguerre

I. Einleitung

Die Fassung des Mozart-Requiems von Karl Marguerre (1906-1979) zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass dieser ein prinzipiell von anderen Fassungen verschiedenes Konzept der instrumentalen Besetzung zugrunde liegt.

Karl Marguerre war der Überzeugung, dass das unvollendete Werk ganz besonders im Hinblick auf die Instrumentalbesetzung und Instrumentation von Franz Xaver Süßmayr, ob aus Eile, aus Unwissenheit oder vielleicht für einen konkreten Anlass, (zunächst) nur notdürftig, nämlich in reduzierter Besetzung, ergänzt worden war. Süßmayr verwendet in allen Sätzen an der Stelle der Holzbläser nur die in tiefer Lage volltönend klingenden, sanften Bassetthörner, ganz gleich, ob ihnen ein eigener Part, wie beispielsweise im Introitus und im Benedictus zugewiesen ist oder ob sie die hohe Chormelodie des Sopran mitspielen, ob es sich um einen klein besetzten Satz wie den des Tuba mirum oder um einen akzentreichen Tuttisatz handelt wie den des Dies Irae.

Leopold Nowak diskutiert die Frage der Instrumentalbesetzung im Vorwort zu seiner Edition des Mozart-Requiems in der Neuen Mozart-Ausgabe vorwiegend unter dem Gesichtspunkt des für Mozart ungewöhnlich strengen Stils, womit er den Rückgriff auf bekannte musikalische Motive und Formen und die stark von Kontrapunktik geprägte Kompositionsweise meint. Dies führt ihn zunächst zu der Annahme, dass es in Mozarts Absicht gelegen haben könnte, „in Anlehnung an die zeitgenössische Kirchenmusik“ (Beispiele werden nicht genannt) Zurückhaltung bei der Verwendung der Instrumente zu üben. Allerdings, schränkt Nowak ein, hätte Mozart ab dem Dies irae, vom Text her begründbar, die hinzutretenden Bläser in eine eigene Partitur schreiben können, wie es zu dieser Zeit Brauch war (1). Weiter schreibt er sinngemäß, dass man bei genauer Kenntnis von Mozarts Instrumentationstechnik hinsichtlich der Bläser, vor allem in seiner letzten Schaffensperiode, imstande wäre, wenigstens annäherungsweise zu sagen, wie er sie im Requiem gesetzt hätte, wenn nicht der ganze „Habitus“ dagegen spräche. (2)

Hier stellt sich jedoch die Frage, ob der besondere „Habitus“ denn in allen Sätzen des Werkes der gleiche ist. Außerdem ist zu fragen, ob der besondere Charakter des Requiems nicht gerade im Umkehrschluss auf der Hörgewohnheit der Fassung mit Bassetthörnern beruht, gemäß dem Sprichwort: „Der Ton macht die Musik“ und ob nicht auch der Höreindruck der sehr langsamen Tempi (viele Aufnahmen belegen dies) vor allem in den Sätzen Introitus, Lacrimosa, Sanctus und Agnus Dei in der Vergangenheit einiges zu dieser durch die Tradition schon quasi „geheiligten“ Auffassung beigetragen haben.

Das groß besetzte Kyrie d-moll KV 341 (Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, Hörner, Posaunen, Pauken) ist von der Forschung erst in den 1980ger Jahren in die letzten Schaffensjahre Mozarts datiert worden Diese Neudatierung und der Umstand, dass Mozart im Mai 1791 zum Titular-Kapellmeister am Stephansdom ernannt wurde, außerdem ein kunstvolles „Panorama“ an Satzarten (barock-polyphon über spielerisch imitierend bis homophon) im Requiem lassen Zweifel an der bisherigen These aufkommen, dass Mozart auf seinem Schaffenshöhepunkt bewusst eine Reduzierung seiner Ausdrucksmittel, hier der Instrumentierung, gewählt haben könnte, um mit dem Requiem einen neuen, schlichten, geradezu bescheidenen kirchenmusikalischen Stil zu begründen.

Außer der Tatsache, dass das Mozart-Requiem in der bekannten Gestalt von Süßmayr überliefert ist, gibt es im Übrigen keinen einzigen konkreten Hinweis und keinen Beleg für eine direkte Anweisung Mozarts an seinen Schüler bezüglich einer absichtlich zu verkleinernden und durchgängig düster zu wählenden Instrumentierung des Requiems, die die so verbreitete These stützen würden.

Friedrich Blume, der erste Herausgeber der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ hat den berühmten Aufsatz „Requiem und kein Ende“ (engl. „Requiem, but no peace“) verfasst (3). Blume war der Meinung, dass die durch Süßmayrs Bearbeitung tradierte Instrumentalbesetzung, die ja nur für den ersten Satz, das Introitus noch von Mozart schriftlich fixiert worden war, keinesfalls für das ganze Werk so gemeint sei. In seinem Vorwort zur Taschenpartitur, erschienen bei Eulenburg, vermisst Blume fast durch das ganze Werk alles, was die Orchesterbehandlung des späten Mozart in so unverkennbarer und einzigartiger Weise auszeichnet. Statt der diffizilen Schattierungen im Wechsel der Klanggruppen werde das Requiem „beherrscht von der Uniformität eines starren Besetzungskörpers, den Mozart so sicher nicht gewollt hat.“ (4)

Auch Karl Marguerre war davon überzeugt, dass das instrumentale Gewand, wie in den übrigen Werken Mozarts, zu diesem höchst kunstvollen und ausdrucksstarken letzten Werk passend sein sollte und, den unterschiedlichen Bildern des Textgehalts im Einzelnen entsprechend, auch von Mozart sehr differenziert instrumentiert worden wäre. Bezüglich der Anteilsfrage (Mozart/Süßmayr) konnte ich mich auf Erkenntnisse aus Karl Marguerres Artikel „Mozart und Süßmayr“ (5) stützen, erschienen im Mozart-Jahrbuch 1962/63. Diese Erkenntnisse sind mit den vorsichtigen Thesen in Christoph Wolffs Monographie „Mozarts Requiem“ (6) aus dem Jahr 1991, noch immer in den wichtigsten Punkten kongruent und werden dort auch erwähnt.

Ganz im Gegensatz zur Kontroverse über die Echtheits-und Anteilsfragen ist die Grundsatzfrage der Instrumentalbesetzung des Requiems in der Fachliteratur bis heute wenig diskutiert worden. Da dieses Problem in Mozarts Requiem mittels „äußerer“ philologischer Nachweise bisher nicht geklärt werden konnte, bleibt nur, die Musik selbst, und zwar möglichst im Detail, zu befragen. Daher möchte ich im Folgenden einige theoretische sowie einige aus der beruflichen Orchesterpraxis resultierende Überlegungen dazu ausführen.

II. Instrumentalbesetzung und Tonartencharakteristik

Ein wichtiger Schlüssel für die mögliche Instrumentation eines fragmentarischen Werkteils dieser Epoche ist die vom Komponisten ausgewählte Grundtonart eines Satzes. Unterschiedliche Tonarten dienen vor allem dazu, Wechsel von „Stimmungen“ auszudrücken, wobei auch die Verwendbarkeit der Gesangsstimmen und Instrumente und die Relation der Tonarten untereinander von Bedeutung sind. Im 18. Jahrhundert werden, der barocken Tradition folgend, im Allgemeinen von vielen Komponisten einige Affekte einer bestimmten Tonart zugeordnet. Auch G.F. Händel, der in dieser Tradition steht, wählt beispielsweise in seiner Oper Ariodante (HWV 33) aus dem Jahre 1735 die Tonart g-moll bei Ernst oder bei Verzweiflung, die Tonart D-Dur bei festlicher Freude, die Tonart d-moll bei drohendem Tod, e-moll bei Todessehnen und die Tonart Es-Dur bei schwärmerischer Liebe.

Die Grundzüge der Tonartenbedeutung im 18. Jahrhundert, die größtenteils auch für Mozart gelten, werden in einer Beschreibung seines Zeitgenossen Schubart 1785 (7) zusammengefasst. Der Musikwissenschaftler Janos Liebner formuliert 1973 diese Zusammenhänge so: „In dem gesamten Schaffen (Mozarts) besitzen bestimmte Tonarten so gut wie immer die gleiche atmosphärische Ladung, sei es sakrale oder profane Musik, vokale, instrumentale oder dramatische Gattung.“(8) Vergleicht man nun Sätze mit gleicher Tonart und gleicher Taktart miteinander, lassen sich tatsächlich erstaunliche Gemeinsamkeiten finden, beispielsweise zwischen dem Dies irae und der d-moll Arie „Der Hölle Rache“ (Zauberflöte, Teil II, Nr. 14) zwischen dem Sanctus und dem Chor der Priester in D-Dur „O Isis und Osiris“ (Zauberflöte, Teil II, Nr. 18) oder zwischen dem Agnus Dei und dem Kyrie in d-moll KV 341, Takte 27-30 und Parallelstelle.

In Händels Messiah (HWV 56) aus dem Jahre 1741 wechseln die Tonarten und besonders das Tongeschlecht von Satz zu Satz. Der Zuhörer wird, auch wenn er die Tonartensymbolik nicht verfolgt oder erkennt, schon durch den Kontrast zwischen Moll und Dur (in Kombination natürlich mit anderen musikalischen Mitteln) emotional in Spannung versetzt und so zu höchstem Mitleiden und höchster Mitfreude bewegt.

Die zusätzliche musikalische Dimension einer mit der Tonart wechselnden und noch dazu stärker differenzierenden Instrumentalbesetzung zeigt sich besonders im eben genannten Schlüsselwerk: Händels Messias erhält in Mozarts Instrumentierung (KV 572, zwei Jahre vor dem Requiem) gerade durch die hohen Holzbläser an ausgesuchten Stellen eine neue, hoffnungsvollere Interpretation des Textes. So wird z.B. der Text: „Das Volk, das im Dunkeln wandelt, es sieht ein großes Licht“ (Arie aus Nr. 7 des ersten Teils) durch das Hinzutreten der hohen Flöte (unterstützt durch zwei Klarinetten in A) bei dem Wort „Licht“ nicht mehr von der Perspektive der Dunkelheit, sondern aus der Perspektive des Lichtes, des eigentlichen Zieles, ausgedeutet. Händels Messias in Mozarts abwechselnder und reichhaltiger Instrumentierung aus dem Jahre 1789 ist daher nicht umsonst in dieser Fassung besonders populär geworden.

Mozarts Instrumentationskunst ist in seinen eigenen Werken vielfach mit der Verwendung der unterschiedlichen Tonarten verflochten. Interessanterweise hat selbst ein Klavier durch die unterschiedliche Saitenlänge beim Anschlag (schwarze Tasten klingen etwas leiser) je nach Tonarten verschiedene Klangfarben, Ähnliches gilt für die Streicher (nicht gegriffene Saiten klingen heller). Mozart, der wie die meisten großen Komponisten (Richard Wagner ausgenommen) über ein absolutes Gehör verfügte, hat sicher beim Komponieren quasi in Tonarten und ihren durch die Instrumente definierten klanglichen Charakteristiken gedacht. Möglicherweise hat in einigen Werken auch in umgekehrter Weise die Auswahl bestimmter begleitender Instrumente aufgrund ihrer damals am besten klingenden Verwendung in ihrer Grundtonart (oder in der nächsten Quintverwandtschaft) zur Verwendung eben dieser Tonart geführt.

III. Die Symbolhaftigkeit der Instrumentierung oder „Immer wenn die Klarinette ins Spiel kommt, kann von Liebe die Rede sein“

Die Aussage in den Anführungszeichen, laut dem Titel eines Aufsatzes von Hans Grüß (9), verdeutlicht sinnbildhaft die geniale, auf direkte Wirkung bedachte Kompositionsweise Mozarts: Er vermittelt dem Zuhörer den subtilen Wechsel der Stimmungen durch den gleichzeitig mit der Tonart wechselnden Einsatz verschiedener Bläserkombinationen. Somit wird auch derjenige Zuhörer miteinbezogen, der weder über ein absolutes Gehör verfügt, noch anhand des je nach Tonart verschiedenen Klangs des barocken und frühklassischen Streicherapparats die Tonartencharakteristik erfasst. In seiner Oper Cosi fan tutte z. B. kommen die Instrumente der Klarinettenfamilie, nämlich Klarinetten in A, B, C, und sogar in H (diese in der Arie der Fiordiligi, 2. Akt, Nr. 25 „per pieta“) mit ihrer edlen Klangfarbe sanft, cantabel und leise jeweils nur in ihrer Grundtonart oder in der nächsten Quintverwandtschaft zum Einsatz. Sie fungieren nie als Oberstimme in temperamentvollen, groß besetzten Ensemblesätzen, sondern vielmehr in den besonderen und kontemplativen Momenten und Arien. Die tänzerische und leichtfüßige Arie der Despina in G-Dur, 2. Akt, Nr. 19 im 6/8-Takt wird dagegen mit einer Flöte, einem Fagott und gelegentlich getupfter Hornbegleitung gezeichnet.

In der Zauberflöte werden die obligat geführten B-Klarinetten besonders häufig mit der Tonart Es-Dur (Tonart der schwärmerischen Liebe) kombiniert, und zwar oft in Verbindung mit Tamino (Bildnisarie mit der exclamatio des Sextintervalls beginnend), aber auch im Duett von Pamina und Papageno (Bei Männern, welche Liebe fühlen). In Es-Dur klingen auch die Streicher (ohne hohe leere Saiten) besonders warm und etwas gedämpft. Dahingegen wird der Oboenklang (die Flöte kommt ev. in Oktavierung hinzu) eher mit Papageno alleine oder Papageno/Papagena und der Tonart G-Dur oder g-moll kombiniert. Da Es-Dur und G-Dur in der Zauberflöte aber auch noch in anderen Zusammenhängen (in großbesetzten Ensemblesätzen) erscheinen, gibt hier die Instrumentierung in Kombination mit einer Tonart den entscheidenden Hinweis für die Deutung und prägt unmittelbar das erfahrbare emotionale Geschehen einer Arie, eines Rezitativs oder eines kurzen Einwurfs. Ganz sicher lag es in der Absicht Mozarts, in dieser „Volksoper“ jeden Zuhörer durch (unbewusst wahrgenommene) Klangfarbenwechsel zu „verzaubern“ und in ihm die zuvor „gelernten“ Assoziationen wiederzuerwecken, beispielsweise durch das unvermutete Auftauchen von zwei umspielenden Klarinetten in Es-Dur (im Finale des 1. Aktes, Rezitativ, Takt 88) oder auch durch das Hervortreten der Soloflöte in ihrer klaren Grundtonart C-Dur (im Finale des 2. Aktes, Marsch, Takt 362).

Dieses Verfahren entwickelte sich ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer klassischen Konvention, die später z.B. auch Joseph Haydn in seiner Schöpfung (Hoboken XXI:2) aus den Jahren 1796 bis 1798 anwendet: Am Ende des 2. Teils der Schöpfung erklingen mit cantabile überschrieben die bisher lange ausgesparten Klarinetten im Mittelteil des großen B-Dur Finales. Sie stimmen die liebliche Melodie (mit Sextsprung) „Zu dir o Herr blickt alles auf“ in der Tonart Es-Dur an, wobei sie nur von einer Flöte, zwei Hörnern und den Fagotten umspielt werden. Die in der Klassik definierte Verwendung und unmittelbare Wirkung dieser Kombination von Textausdruck, Tonart und Instrumentierung hat noch bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Vorbildfunktion. In ihrer Wirkungskraft scheint sie mir vergleichbar mit der erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Leitmotivtechnik.

Mozart verwendet mehrere begleitende Bassetthörner in anderen Werken in besonderen, ernsthaften und getragenen Passagen, z.B. in der Zauberflöte (Zweiter Aufzug, Nr. 10, Arie des Sarastro in ihrer Grundtonart F-Dur). Auch in der Maurerischen Trauermusik KV 477 dominieren anfangs im düsteren c-moll die Bassetthörner, wobei nur das dritte Bassetthorn (in Bassfunktion) von Anfang an vorgesehen war, die anderen beiden wurden von Mozart später hinzukomponiert. Doch schon am Beginn des Mittelteils übernehmen dann die Oboen und die Klarinette die Führung, die hier, sinnvoll auf den Textgehalt bezogen, in der parallelen Tonart Es-Dur den ersten Teil einer Choralmelodie intonieren (10).

Zusammenfassend kann man sagen, dass die sowohl auf Kontrasten als auch auf feinen Schattierungen aufbauende Instrumentationskunst im Spätwerk Mozarts zum konstituierenden Element seiner Werke geworden ist. Sie korrespondiert in enger Weise mit dem Wechsel der Tonarten und Stimmungen und hat einen unverzichtbaren Anteil an der Bedeutung seiner Musik. Dies steht eindeutig im Widerspruch zu der Ausführung des Requiems mit nur einer einzigen Klangfarbe in den Bläsern (abgesehen von den Trompetenrhythmen in den „Tuttisätzen“) durch Süßmayr und andere Bearbeiter, auch wenn ein Kirchenwerk dieses ernsten Inhalts auch von Mozart selbst vermutlich mit sehr effizienten Mitteln und weit weniger solistisch ausinstrumentiert worden wäre als beispielsweise eine seiner Opern.

IV. Die wenigen Eintragungen für Holzbläser im Requiem von Mozart selbst

Es gibt im ganzen Autograph Mozarts nur drei Stellen, an denen eine Notierung der Holzbläser (außer dem collaparte-Fagott) von Mozart noch selbst vorgenommen wurde. Dies sind ausschließlich getragene, düstere Stellen, und hier wird von Mozart jedes Mal die dunkel klingende Farbe von zwei tiefen Bassetthörnern in F eingesetzt, die hier typischerweise in einem sich teils überlagerndem, gehaltenem melodischen Duktus erklingen:

  1. Die instrumentale Einleitung und der ganze Introitus-Satz in d-moll (Paralleltonart von F-Dur), die Melodie steigt in der langsam, quasi aus der Gruft auf. Schon das sich anschließende Kyrie wurde von Mozarts Schüler Freystädtler weiter mit den Bassetthörnern instrumentiert (wie sich nach neuesten Erkenntnissen aufgrund der 21 falschen Versetzungszeichen und der Art der Pausennotation herausgestellt hat).
  2. Die instrumentale Einleitung des klein besetzten Recordare, es steht in F-Dur der Grundtonart des Bassetthorns, hier steigt in langen Tönen die Melodie flehentlich an.
  3. Die ruhige Überleitung am Ende des Conftuatis zum Lacrimosa, hier wird von Mozart in drei absteigenden Schritten von a-moll nach d-moll moduliert. Die Bassetthörner spielen nicht die Chormelodie, sondern lange Haltetöne in ihrer Mittellage.

Diese Sachlage lässt zwei mögliche Schlussfolgerungen für einen später instrumentierenden Bearbeiter zu:

1. Schlussfolgerung:

Die Stellen für Bassetthörner sind als praktische Anweisung zu verstehen, dass alle weiteren obligaten und auch alle collaparte gehenden Holzbläserpassagen von zwei Bassetthörnern ausgefüllt werden sollen. Obwohl die Bassetthörner in anderen Werken Mozarts mit vierstimmigem Chorsatz stets eine Mischung von Alt-und Tenorpartie verstärken, wohl weil sie nur bis zum g’’ spielen können und im oberen Register etwas näselnd, falsettartig dünn klingen, hat es Süßmayr für das ganze Werk so verstanden – oder es zunächst für eine spärlich besetzte Aufführung notgedrungen in dieser Weise gehandhabt. Alle späteren Bearbeiter folgen diesem Prinzip, ohne der Frage einer adäquateren Besetzung grundsätzlich eine große Bedeutung beizumessen. Der allererste Bearbeiter, Eybler, hatte womöglich ebenfalls ohne eingehende Reflexion das Fragment auch nur mit Bassetthörnern instrumentiert, allerdings ohnehin nur Teile der Sequenz bis zum Lacrimosa.

2. Schlussfolgerung:

Die genannten drei Stellen (in d-moll, F-Dur und von a-moll nach d-moll kadenzierend) sind ganz besondere, verhaltene Passagen aus den kontemplativen Sätzen, die alle einen ähnlichen melodischen Duktus aufweisen. Sie erklingen ausschließlich im altertümlichen und furchteinflößenden Textbereich der Sequenz und sollten sicher mindestens am Anfang (und bogenförmig am wiederaufgreifenden Schluss, der Communio) die ernste Grundstimmung des Requiems prägen. Außer den anderen klein-besetzten und ruhigeren Sätzen: Tuba mirum, Recordare und Benedictus könnte der größere Teil der verbleibenden Partitur leicht nach der üblichen Konvention ausgefüllt werden (z.B. erste Flöte und erste Oboe mit dem Sopran etc.), und hier ist auch deshalb noch nichts eingetragen worden, weil ihre Ausführung eher eine Routinearbeit bedeutete.

Bestimmte Stellen, die zu den vorgegebenen Bassetthornpartien im Kontrast stehen, sollten ganz sicher mit höheren Instrumenten unterlegt werden. So müssten beispielsweise Stellen in D-Dur oder in Es-Dur deutlich anders gezeichnet werden, nämlich gemäß dem dialektischen klassischen Prinzip, nach dem das Dunkel durch das Erscheinen des Lichtes noch tiefer erlebt werden kann oder hier besser: das Licht durch das vorangegangene Dunkel noch heller wirkt. Denn auch der Grundsatz „Per aspera ad astra“ ist ein häufig verwendetes Prinzip der Klassik. Hier gewinnt er die Bedeutung: Vom Tod ins ewige Leben überzugehen („de morte transire ad vitam“ Text aus dem Satz Hostias, der in Es-Dur steht). Nach diesen beiden Prinzipien verlangen temperamentvolle Passagen im Dies Irae beispielsweise, wo helle Blitze mit dunklem Donnergrollen abwechseln, oder optimistische Textpassagen im strahlend vertonten D-Dur-Sanctus im späteren Teil des Werkes nicht nach dem fahlen Licht der Bassetthörner, sondern nach dem echten Glanz der höheren Holzblasinstrumente.

Aus folgenden Gründen möchte ich die erste mögliche Schlussfolgerung, der Süßmayr und fast alle anderen Bearbeiter gezogen haben, kritisch hinterfragen:

  1. Die einförmige Besetzung mit Bassetthörnern in Mozarts Requiem steht an einigen Stellen in starkem Widerspruch zum Ausdrucksgehalt des dramatischen Requiemtextes und passt an diesen Stellen auch nicht zu den übrigen von Mozart gewählten musikalischen Ausdrucksmitteln.
  2. Die durchgängige Instrumentierung widerspricht der bisherigen praktischen Instrumentierungskonvention des erfahrenen Mozart und entbehrt selbst als neues Experiment einer durchdachten Logik. Denn wenn man die damaligen Nutzungsmöglichkeiten der Blasinstrumente berücksichtigt, ist es beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass im Sanctus, welches in D-Dur steht, die Bassetthörner in F den Sopran verstärken sollen. Diese Ungereimtheit ist auch schon Robert D. Levin aufgefallen, er setzt in seiner Fassung (11) nur in diesem Satz Klarinetten in A ein, was jedoch als Oberstimmenverstärkung für einen großbesetzten Ensemblesatz ebenfalls nicht der damaligen Praxis und Konvention entspricht.
  3. Als ein früher und namhafter Kritiker der historischen Instrumentierung durch Eybler und Süßmayr sei Johannes Brahms erwähnt. Er besorgte für die alte Mozartausgabe (AMA) die Herausgabe des Requiems und findet im Zusammenhang mit der Instrumentierung, „dass diese Reliquie verunziert ist durch sehr schwache und linkische, von Einem oder Zweien ausgeführte Versuche, die Partitur auszufüllen“ (12). Möchte man aber in der Instrumentierung geschickter als Eybler und Süßmayr vorgehen, stößt man unter der Beibehaltung der reinen Bassetthorninstrumentierung sehr bald an praktische Grenzen, was im folgenden Kapitel näher erläutert werden soll.

Aus diesen Gründen halte ich ein alternatives Konzept, das zu einem möglichst von Hörgewohnheiten befreiten Vergleich in der Praxis herangezogen werden kann, für wichtig und interessant.

V. Das Instrumentationskonzept des Mozart-Requiems in Karl Marguerres Fassung

Laut Karl Marguerre benötigt gerade Mozarts größtes Meisterwerk einen kontrastreichen, farbigen und gleichzeitig dezent begleitenden Orchesterklang. Sein Ziel ist es demnach gerade nicht, durch eine Erweiterung der Orchesterbesetzung ein monumental-romantisches Klanggebilde zu erschaffen. Vielmehr geht es ihm darum, die Zuhörer am Erlebnis dieses Seelendramas, in dem der Wechsel existentieller Gefühle (Hoffen auf den Himmel, Bangen vor der Hölle) und zum Schluss die dreimalige Bitte um Frieden dargestellt wird, unter Verwendung von geeigneten, also wechselnden Klangfarben teilhaben zu lassen.

Das vorgegebene Grundgerüst der Instrumentierung, die von Mozart angelegt und von Süßmayr nach Skizzen (13) in groben Zügen fortgesetzt wurde, lässt eine klare Ordnung erkennen: Die mit Chor, Chorposaunen, Pauken und Trompeten groß besetzten Sätze stehen, mit Ausnahme des Sanctus im zweiten Teil, entsprechend ihrer größtenteils bedrohlichen Textaussage alle in einer Molltonart. (Introitus/Kyrie, Dies irae, Rex tremendae, Confutatis, Domine Jesu, Sanctus, Agnus Dei, Communio). Diese „Tuttisätze“ umrahmen die dazwischenliegenden, kleiner besetzten „Mittelsätze“, welche passend zu ihrer erst fragenden, erinnernden, dann bittenden und anbetenden Textaussage alle in einer Durtonart und in einem ruhigeren Zeitmaß stehen (Tuba mirum und Recordare, Hostias und Benedictus).

Das Lacrimosa in der Mitte des Werkes hat eine doppelte Funktion: Zum einen bildet es den notwendigen Ruhepol zwischen den Höllenflammen des Confutatis (a-moll/d-moll) und dem Löwenrachen des Domine Jesu (Verzweiflungstonart g-moll). Daher hat es eine ätherisch leise Einleitung, die in einzigartiger Wirkungsweise nur von den hohen Streichern, ohne Celli/Bässe intoniert wird. Zum anderen hat das Lacrimosa in seinem weiteren Verlauf die Funktion eines Chorsatzes, der die Mittelsäule des Werkes bildet und gleichzeitig die Sequenz und den ersten Teil des Werkes in seiner Grundtonart d-moll in großer Besetzung abschließt.

Damit ist an dieser Stelle eine dreimalige Folge von Mollsätzen gegeben (Confutatis, Lacrimosa, Domine Jesu), und es ist auf der textlichen Ebene der dramatische Tiefpunkt der seelischen Verzweiflung erreicht. Diese Seelenverfassung findet im folgenden zweiten Teil des Werkes ihre klassische gegensätzliche Entsprechung und Erlösung in einer Häufung von Dursätzen (Hostias, Sanctus, Benedictus). Auch das Fortschreiten von den Sätzen, die von strenger Kontrapunktik geprägt sind (bis zum Domine Jesu) über das cantable Benedictus bis zum weitgehend homophonen Agnus Dei zeigt die beabsichtigte Richtung der Musik an: Nachdem Bangen, Hoffen, Ängste und Verzweiflung durchlebt wurden und der Mensch als Bittender vor Gott tritt (im Hostias), wird der Blick schließlich frei auf den, „der kommt im Namen des Herrn“, und auf den ewigen Frieden (im Agnus Dei: „Requiem sempieternam“). Diese (im Übrigen an J. S. Bach erinnernde) Grundhaltung deckt sich in erstaunlicher Weise mit der persönlichen Aussage eines Briefes von Mozart an seinen todkranken Vater vom 4. April 1787, in dem er meint, dass der Tod für ihn sogar recht viel „Beruhigendes“ und „Tröstendes“ habe, weil er ihm die Gelegenheit gebe, seinen Gott kennenzulernen (14 mit Briefstelle).

In Karl Marguerres Fassung wird selbstverständlich die gesamte Instrumentierung von Mozarts Autograph übernommen, des weiteren viele Passagen aus der Instrumentierung der Sequenz von Eybler und im gesamten Werk auch viele Passagen von Süßmayr. In den sieben Tuttisätzen allerdings vom Dies irae bis zum Agnus Dei werden die meist colla-parte gehenden Bassetthörner an vielen Stellen durch Oboen oder Flöten oder deren Kombination ersetzt. Damit wird die besondere Klangfarbe der Bassetthörner nicht verbraucht, und die collaparte-Funktion der Bläser entspricht somit der klassischen Konvention, nach der stets die hohen Holzbläser mit den Frauenstimmen des Chores gehen.

Der wichtigste Grund aber ist die richtige Ausdeutung des Textes: So könnten beispielsweise nach dem dunklen Kyrie die hellen Zornesblitze des Dies irae durch kein besseres Instrument illustriert werden als durch die oktavierende Flöte (beispielsweise T.10 und folgende). Auch die Verwendung der Oboen in diesem Satz eröffnet eine neue, sinnvolle Dimension der Instrumentierung, meist in einer colla-parte-Funktion mit dem Sopran, der sehr häufig bis zum zweigestrichenen g geht. Diese Note wird in Süßmayrs Fassung in diesem Satz von den Bassetthörnern konsequent umgangen, von ihnen wird stattdessen bei allen melodischen Höhepunkten plötzlich nur die Alt-oder Tenorstimme verstärkt (Takte: 7,13, 37/38, 50, 59/60, 63/64). Auch in eigener Funktion können die Oboen das „dies-irae“-Motivs der Streicher der Takte 22-25 unterstützen, das nur so hörbar über den für eine Oberstimme bisher untypisch gleichbleibenden Noten („e“) des Chorsoprans aufleuchten kann.

Auch im vorletzten Satz des Requiems, dem weitgehend homophonen und ruhig ausschwingenden Agnus Dei, geht es um die sinnvolle musikalische Ausdeutung des Textes: Nach den drei Moll-Anrufen („Agnus Dei, qui tollis peccata mundi“) ertönt das jeweils folgende „Dona eis requiem“ im Chor in drei verschiedenen Durtonarten: Im idyllisch-friedlichen F-Dur, im klar-ruhenden C-Dur und im liebreichen und lichten B-Dur. In den zwei Bläsernachspielen, die den ersten beiden Phrasen als Imitation folgen, bot es sich für Karl Marguerre und für mich als revidierenden Bearbeiter beispielsweise an, das erste, „beruhigende“, in tiefer Lage in F-Dur mit Bassetthörnern, das zweite dagegen in C-Dur mit den klaren, in dieser hohen Lage frei und „tröstend“ (15) klingenden Oboen zu instrumentieren. So wird die Stimmung dieser so bedeutsamen und harmonisch erlösenden Stelle unmittelbar und – möglicherweise – wie von Mozart beabsichtigt ausgedrückt.

Vergleicht man das genannte zweite C-Dur Bläsernachspiel im Agnus Dei mit der Lösung in Süßmayrs Fassung, stellt man fest, dass an dieser Stelle (Takt 31) die Streicher, ebenfalls in hoher Lage, eingesetzt werden – doch nicht die zweite Dur-Phrase wird hier imitiert, sondern erstaunlicherweise die „falsche“, nämlich die erste (nun transponierte) Phrase: Eine ganz und gar Mozart-fremde Notlösung, die meines Erachtens eben der Tatsache geschuldet ist, dass die Bassetthörner in dieser hohen solistischen Lage nicht vorteilhaft oder zumindest nicht mit dem benötigten Ausdruck klingen, jedoch mit dem Klang der Streicher die zweite Phrase aufgrund ihres ausgesprochen typischen Bläserstils und des ruhigen Tempos ebenfalls nicht überzeugend darstellbar ist – eine scheinbar ausweglose Situation!

Drei der vier Mittelsätze des Werkes werden in Karl Marguerres Fassung ebenfalls neu besetzt: Mozart hatte im Recordare in F die obligaten Bassetthörner in tiefer Lage intonieren lassen, und Süßmayr hat sie auch im Tuba mirum (in B) in den kurzen Überleitungen entsprechend verwendet. Obwohl B-Dur zur Grundtonart der Bassetthörner nur eine Quinte entfernt ist, passen im Tuba mirum jedoch der Tonumfang und die Klangfarbe der Klarinetten wesentlich besser zum girlandenhaften Schluss, der in den Violinen bis zum b“ geht. In diesem Satz, in dessen Text zwar von der Posaune des jüngsten Gerichts die Rede ist und von der Gerechtigkeit, die dem Reuemütigen keineswegs sicher scheint, gibt die Musik selbst in den letzten 9 Takten eine Antwort auf die geäußerten Zweifel: die vorangegangene Zerrissenheit, die durch Pausen und verminderten Akkorde ausgedrückt wird, löst sich in ein wunderschön schwingendes B-Dur auf dem Wort „securus“ auf und gibt dem Hörer in vorausschauender Weise gerade jene Zuversicht, die der Text (noch) in Frage stellt. Im zweiten Teil des Werkes steht das Hostias (in Es) ebenfalls für die Hoffnung auf Erlösung, wozu die Klarinetten in B schon aus symbolischen Gründen besser passen. Als Ziel der vorangegangenen textlich-dramatischen und musikalischen Entwicklung ist das Benedictus anzusehen. Die Tonart B-Dur, in welcher das Tuba mirum und das Benedictus stehen, wird von Mozarts Zeitgenossen Schubart durch folgende Worte charakterisiert: „Heitere Liebe, gutes Gewissen, Hoffnung, Hinsehnen nach einer bessern Welt“ (16).

Das „Herzstück“ des Requiems, das Benedictus steht zudem gewiss nicht zufällig in der gleichen Tonart, in der auch die Textstelle „et lux perpetua luceat eis“ (und das ewige Licht leuchte ihnen) im ersten Satz, dem Introitus, mit einem hoffnungsvollen Motiv schon einmal kurz aufleuchtet. Die Melodie des Benedictus beginnt gleich mit der ausdrucksstarken exclamatio, der Sexte nach oben, und die Verwendung der Klarinetten kommt hier sowohl einem helleren, „himmlischen“ Klangbild als auch einer glatteren Spielbarkeit, nämlich ohne Registerwechsel im häufig wiederkehrenden Motiv (d-d-f-d), zu Gute.

Ein Vergleich zwischen dem Recordare aus dem ersten Werksteil und dem Benedictus aus dem zweiten Werksteil zeigt noch mehr Gegensätze: Im Recordare übernimmt der Alt mit dem Bass die vom verschlungenen zweistimmigem instrumentalen Duktus geprägte Linie der Einleitung der Bassetthörner, die im Übrigen als „Erinnerung“ an die Bachfamilie weitgehend identisch ist mit dem Fugenbeginn des zweiten Satzes der Sinfonie in d-moll von Wilhelm Friedemann Bach Fk 65 (17). Dahingegen spielt im Benedictus ein Solo-Melodieinstrument (die Klarinette) eine einstimmige Melodie im gesanglichen Duktus voraus, die nacheinander vom Alt und dann in hoher Lage vom Sopran übernommen wird. Mozarts besondere Beziehung zur Klarinette ist durch einen Ausspruch an seinen Freund, den Klarinettisten Anton Stadler im Bericht über dessen Akademie vom 23. März 1784 in Wien gut charakterisiert: „…Hätt’s nicht gedacht, dass ein Klarinet menschliche Stimme so täuschend nachahmen könnte, als du sie nachahmst. Hat doch dein Instrument einen Ton so weich, so lieblich, dass ihm Niemand widerstehn kann, der ein Herz hat, und das hab’ ich, lieber Virtuos; habe Dank!“ (18).

Auf die eingangs vorgetragene Solokantilene des Benedictus folgt in dessen weiterem Verlauf ein Geflecht von spielerischen Imitationen und paarweisen dialogischen Einsätzen der vier Solostimmen, die jeweils an fünf Stellen (Takte 14/15, 17/18, 31, 36/37, 39/40) in eine homophone Übereinstimmung münden. Und in den 53 Takten des ganzen Satzes gibt es nur zweimal einen halben Takt in Moll, (Takt 15 und Takt 43), dies auch nur in der Funktion eines vorübergehenden Trugschlusses, und drei Achtel eines verminderten Akkordes (Takt 47), hier auch nur als Bassdurchgang in der Funktion einer Doppeldominante. Diese also bewusst von reiner Harmonie gekennzeichnete Konversation der zwei hohen und der zwei tiefen menschlichen Stimmen – als Sinnbild einer „höheren“ Ordnung – findet ihre genaue Entsprechung meines Erachtens nach am besten in der Bläser-Besetzung mit zwei Fagotten und zwei Klarinetten, die, da sie meist colla-parte gehen, auch nur so den hellen Gesamtklang (im Sopran sogar bis zum zweigestrichenen a) in stimmiger Weise unterstützen.

Fazit: Der bisher tradierte, im Orchesterklang überwiegend eintönige und düstere Charakter des Mozartrequiems erfährt durch eine kompositionstechnisch adäquate Neu-Instrumentierung den nötigen Ausgleich. Dies bedeutet nicht zuletzt, dass der von Mozart angelegte „tröstende“ und auf ein „höheres“ Ziel gerichtete Grundgedanke des Werkes (siehe Zitatnachweis 13) deutlich hörbar zum Ausdruck kommt. In Prof. Dr. Karl Marguerres Antrittsrede als Rektor der Technischen Hochschule Darmstadt von 1966 mit dem Titel „Mathematik und Mechanik – Mathematik und Musik“ findet sich der folgende, sinnverwandte Satz: „…Was ist der Sinn der Kunst? Die Ordnung widerzuspiegeln der Welt über uns, die Ordnung, die es in unserer realen Welt nicht gibt…“ (19).

Karl Marguerres Fassung des Mozart-Requiems hat zu seinen Lebzeiten in 15 Aufführungen unter seiner Leitung mit dem Chor und Orchester der TH Darmstadt in den Jahren 1963 bis 1978 beim Publikum große Begeisterung ausgelöst. Als klangliches Zeugnis davon existiert eine digitalisierte Tonbandaufnahme aus dem Jahr 1971 in der evangelischen Stadtkirche Darmstadt. Diese Aufnahme überzeugt, neben der Neu-Instrumentierung, in allen Sätzen durch gut gewählte, am Wortrhythmus orientierte Tempi. In der Fachrichtung Musikwissenschaft wird Karl Marguerre noch immer geschätzt, als Mozartforscher (so wird er z.B. in der NMA zitiert (20)), und als namhafter Herausgeber der gesamten Violinsonaten Mozarts beim U.E. Verlag Wien, sowie der Klaviertrios von Mozart beim Petersverlag Leipzig.

Die von mir revidierte Marguerre-Version des Mozart-Requiems wurde am 26.11.2016 in der Apostelkirche Münster mit dem Sinfonieorchester und dem Konzertchor sowie am 26.11.2017 mit Mitgliedern der Bayrischen Staatsoper in St. Ottilien bei München aufgeführt.

Karl Marguerre selbst verstand seinen Lösungsansatz in der Frage der Instrumentierung und die Idee, fehlerbehaftete Passagen in den „zweifelhaften“ Sätzen durch Mozartzitate zu ersetzen, als einen anregenden Beitrag zur Diskussion um Mozarts Requiem, die vermutlich nie enden wird.

Dorothee Heath
13.11.2018

(1) Leopold Nowak, Vorwort zu NMA Werkgruppe 1: Messen und Requiem, Abteilung 2: Requiem, Teilband 1: Mozarts Fragment, Kassel u.a. 1965, S. XIV
(2) Leopold Nowak, a.a.O., S. XV
(3) Friedrich Blume: Requiem und kein Ende, in: Syntagma musicologicum. Gesammelte Reden und Schriften, hrsg. Von Martin Ruhnke, Kassel u.a. 1963, S. 714-737, hier S. 725 f.
(4) Friedrich Blume: Mozart Requiem, London u. a. 1932. Vorwort zu seiner als Taschenpartitur erschienen Edition des Mozart-Requiems bei Eulenburg, vierte, nicht nummerierte Seite des deutschen Vorworts
(5) Karl Marguerre: Mozart und Süßmayr, in: Mozart-Jahrbuch, Salzburg 1962-63, S. 172-177
(6) Christoph Wolff: Mozarts Requiem, Kassel 1991, Kapitel: Zu Süßmayrs Requiem-Ergänzung, S. 46
(7) Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Degen, Wien 1806 (entstanden 1784/85)
(8) Janos Liebner: Abhandlung zum Kapitel: Tonartenplan und Motivstruktur in Mozarts Musik, Unterkapitel: Der Tonartenplan in den Opern mit besonderer Berücksichtigung des „Idomeneo“ in: Mozart-Jahrbuch 1973/74, Salzburg 1975, S. 91
(9) Hans Grüß: Imer, wenn die Klarinette ins Spiel kommt, kann von Liebe die Rede sein. Über die Grundzüge der Instrumentation Wolfgang Amadeus Mozarts in: Oboe, Klarinette, Fagott. 7, Schorndorf, 1992, Nr. 1, S. 5-16
(10) Silke Leopold: Mozart-Handbuch, 2005 Kassel, Einleitung zu den Freimaurermusiken: Kapitel: „Laut verkünde unsre Freude“. Mozart und die Freimaurer, S.23
(11) Robert D. Levin: Mozart-Requiem, Neuausgabe bei Carus Verlag, Stuttgart 1991
(12) Johannes Brahms: AMA (alte Mozartausgabe) Revisionsbericht zu Serie XXIV, Supplement Nr. 1, S. 55
(13) Christoph Wolff: a.a.O., Kapitel: Zu Süßmayrs Requiem-Ergänzung, S. 43
(14) Otto Erich Deutsch: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, gesammelt von Wilhelm A. Baur und Otto Erich Deutsch, Kassel 1962/63, Band IV, Nr. 1044:

„…Da der Tod genau genommen der wahre Endzweck unseres lebens ist, so hab ich mir seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! Und ich danke meinem gott, daß er mir das Glück gegönnt hat mir die Gelegenheit, Sie verstehn mich, zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen. – ich lege mich nie zu bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht, so Jung als ich bin, den andern Tag nicht mehr seyn werde.“

(15) Otto Erich Deutsch: a.a.O., Nr. 1044
(16) Daniel Schubart: a.a.O., S. 377
(17) Christoph Wolff: a.a.O., S. 84
(18) Otto Erich Deutsch: Mozart. Die Dokumente seines Lebens. Leipzig 1961, S. 172
(19) Karl Marguerre: Rede aus Anlass der Feier der Rektoratsübergabe 1966: Mathematik und Mechanik - Mathematik und Musik. In: Jahrbuch der Technischen Hochschule Darmstadt, Darmstadt 1967, S. 21-44
(20) Karl Marguerre: Zur Echtheitsfrage des Klaviersonatenfragments KV 498a, in: NMA Serie X (Werke zweifelhafter Echtheit), 29/2, Seite XVII

 

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