Aktuelle Erkenntnisse zu Lüftungskonzepten und Luftreinigern im Choralltag Drucken

Sinnvolle Ergänzungen des Hygienekonzeptes

Pixabay, PublicDomainArchiveEin Thema, welches die Chöre im Rahmen ihrer Chorarbeit unter Pandemiebedingungen beschäftigt, sind neben den gängigen Hygienemaßnahmen auch sinnvolle Lüftungskonzepte. Dazu gehört die Frage, wie wirksam und praktikabel Hilfsmittel wie Luftreiniger oder CO2-Ampeln sind.

Mit dieser Problematik hat sich die Online-Konferenz „Lüftungskonzepte und Luftreiniger“ beschäftigt. GastrednerInnen waren Prof. Dr. Martin Kriegel von der TU Berlin, Marcus von Amsberg (Berliner Mädchenchor), Thomas Henning (Chorverband Berlin) sowie Julia Wachs (Senatsverwaltung für Kultur und Europa). Die Veranstaltung fand im Rahmen der vierteiligen Online-Konferenz „Chorsingen in Zeiten von Corona“ des Landesmusikrates Berlin statt.

Wer leise gehofft hatte, dass eine Anschaffung von Luftreinigern die Lösung der schwierigen Probensituation sei, der wurde in dieser Konferenz möglicherweise enttäuscht. Vielmehr wurden alle Beteiligten nicht müde zu betonen, dass die Luftreiniger lediglich als Ergänzungsmittel dienen und das regelmäßige Lüften in keinster Weise ersetzen, sondern nur als ein weiterer Baustein in der Pyramide der Schutzmaßnahmen angesehen werden können.

Dabei scheint unumstritten, dass die Geräte wirksam sind und die gefilterte Luft auch virenfrei ist. Jedoch vermögen die Geräte nie die komplette Luft zu filtern, was gerade für das Singen zum Problem wird, wenn 30-60% mehr Luft ausgestoßen wird als beim Sprechen. Prof. Kriegel verwies in dem Zusammenhang auf Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts aus dem März, welches die ersten Corona-Ausbrüche in deutschen Chören untersuchte. Dabei wurden neben der Probendauer u.A. auch die Sitzpositionen und die Aufenthaltsorte in der Probensituation nachvollzogen mit der Erkenntnis, dass sich die Infizierten über die virusbelastete Luft ansteckten.

Die daraus hervorgehenden Berechnungen zum absoluten Infektionsrisiko gemessen an Raumgröße, Lüftungssituation etc. in Abhängigkeit zur Aufenthaltszeit der SängerInnen kann jeder Chor individuell für sich in wenigen Schritten nachvollziehen und auf die eigenen Gegebenheiten anpassen (siehe https://hri-pira.github.io/ oder https://www.mpic.de/4747361/risk-calculator). An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass das Berechnungsmodell im Sinne der Praktikabilität in Bezug auf die Raumgröße stark eingeschränkt ist, da für größere Räume ein deutlich höheres „Lüftungs-Know-how“ (Kriegel) relevant sei, welches die einfache Anwendbarkeit im Internet übersteigt. Dass jedoch eben ein großer und vor allem hoher Raum besonders in der ersten Probenstunde ein Infektionsrisiko minimieren kann, sollte beim Besuch der Website und zur Einordnung der Ergebnisse ebenso mitbedacht werden wie der Rechnungsansatz, der vom „Worst-Case-Szenario“ ausgeht, also mit einer hochinfektiösen Person rechnet. Dieser Zusatz soll die Aussagekraft und auch in gewisser Weise die erbarmungslose Ehrlichkeit der Zahlen nicht relativieren, sondern nur näher erklären.

Trotz dieser ernüchternden Zahlen und damit auch verschärften Perspektive für den Probenbetrieb gilt es nun laut Thomas Henning, Optionen zur Sicherheitserhöhung, wie eben die der Luftreiniger, zu besprechen und sich somit auf einen Wiederbeginn der Proben unter erschwerten Bedingungen vorzubereiten. Dass die Luftreiniger nie die komplette Luft reinigen können und somit besonders die Anschaffung eines einzelnen Geräts für eine gesamte Chorprobe vollkommen wirkungsarm wäre, wurde bereits erwähnt. Es bedarf einer höheren Anzahl an Filtern, verteilt im ganzen Raum, um bei der Menge an permanent ausgestoßener Luft hinterherzukommen. Hier drängen sich aber gleich zwei Probleme auf: die Kosten der Anschaffung und die Lautstärke der Lüftungsgeräte.

Zum ersten Punkt musste Julia Wachs für das Land Berlin zugestehen, dass Anschaffungen von mobilen Luftreinigern nicht bezuschusst werden (können), da sie als Hilfsmittel und nicht als langfristige Problemlösung angesehen werden. Auch werde bisher in den Verordnungen und Raumprüfungen vor allem darin differenziert, ob es sich um eine festinstallierte Lüftungsanlage handele, auch, weil diese einen flächendeckenderen Luftaustausch ermöglichen. Eventuelle Fördermittel unterliegen jeweils den Kriterien der einzelnen Bundesländer.

Eine generelle Aussage über die Förderfähigkeit der Beratungs- oder Anschaffungskosten kann daher an dieser Stelle nicht getroffen werden.

Auf den zweiten Punkt, die Lautstärke, wurde auch eingegangen. Es gibt Geräte, die einen Schallschutz integriert haben. Hierbei verwies Prof. Kriegel darauf, dass besonders die Dämmung der Schallleistung relevant sei. Dieser könne zwar die Filtergeräusche nicht vollkommen verhindern, aber um Einiges reduzieren. Des Weiteren wurde positiv angemerkt, dass mechanische Filter einen Vorfilter haben, der gröberen sowie Feinstaub filtert und somit insgesamt die Luftqualität verbessert. Eine konkrete Marke wollte keiner der Redner direkt bewerben, es wurde jedoch darauf verwiesen, dass Luftreiniger schon seit Jahren produziert und in verschiedenen Gewerben eingesetzt werden. Entsprechend weiterentwickelt und angepasst sind diese Produkte (HEPA 13/14 Filter) eben z.B. auch in der Geräuschdämmung. Von neuen Produkten und UVC-Filtern wurde eher abgeraten. Vor allem Letztere wiegen die Nutzer in falscher Sicherheit, da das UVC zwar Viren abtöten kann und so beispielsweise erfolgreich zur Oberflächendesinfektion eingesetzt wird, dies aber erst ab einer gewissen Bestrahlungszeit erfolgt. Für die kurze Einwirkzeit (Zehntelsekunden), die der Lampe beim Luftfiltern zur Verfügung steht, reicht ihre Stärke bei Weitem nicht aus, um die Viren abzutöten.
Konsens bestand hier darin, auf bewährte Produkte zu setzen, die einen Vorfilter und Schallschutz besitzen und in ihrer maximalen Leistungsstufe einen möglichst hohen Volumenstrom haben, um so die Lüftungspausen so effektiv wie möglich gestalten zu können. Für solche Geräte könne man sich an einer Marke ab 100 Euro pro Gerät orientieren.

Im Zusammenhang mit der Lüftungsgestaltung wurden auch das Berliner Hygienerahmenkonzept und die Arbeit mit CO2-Messgeräten angesprochen, worauf abschließend noch eingegangen werden soll: Auf die Frage, ob man den Raumleerstand durch gutes Lüften verringern oder gar vermeiden könne, führte Prof. Kriegel aus, dass dies stark von der zugeführten Luftmenge abhänge. Dabei seien Angaben wie ein sechsfacher Luftaustausch pro Stunde irreführend, weil dieser Wert nicht mit Virenfreiheit gleichzusetzen ist. Die Maßgabe des dreistündigen Leerstands entspricht der Zeit, nach der das Virus inaktiv ist. Auch hier können Luftreiniger, besonders in schlecht zu belüftenden Räumen, den Austausch verbessern und dem Virus, welches nach einer Stunde nur noch halb so aktiv ist, entgegenwirken. Eine absolute Sicherheit kann aber nur ein dreistündiger Leerstand bieten.

Um einen Eindruck zu gewinnen, wie gut der Raum belüftet ist und wieviel Frischluft in ihm ist, eignen sich die angesprochenen CO2-Messgeräte oder auch -Ampeln. Auch hier ist wieder zu beachten, dass der CO2-Wert nicht gleichzusetzen ist mit einer potenziellen Viruslast und dem Infektionsrisiko, sondern das Gerät eher zur Sensibilisierung bezüglich Frischluftzufuhr und der Veranschaulichung von Luftverbrauch im Raum dient. Hierbei verwies Thomas Henning auch darauf, dass die Geräte erfahrungsgemäß nicht nur raum- sondern auch tagesabhängig sind und empfiehlt daher, sie immer parallel zum Raumaufenthalt und nicht nur punktuell und temporär einzusetzen.

Was bleibt also von der Konferenz? Die Chöre haben es auch weiterhin nicht leicht. Zahlen wie die des 30-60% stärkeren Luftausstoßes veranschaulichen, wie sich durch das Singen das Ansteckungsrisiko drastisch erhöht. Verständlicherweise kamen auch Einwände der Beteiligten, dass das Singen auch gesundheitsfördernde Aspekte habe und wie diese ins Verhältnis gesetzt werden können. Aber so rechnet das Virus nun einmal nicht und so muss wohl jeder Chor für sich abwägen, inwiefern sich die Investitionen in Luftreiniger zur Sicherheitsverstärkung lohnen. Fakt ist, und darauf wies Thomas Henning auch hin: Wer sich einmal solche Geräte angeschafft hat, der nutzt diese auch und hat auch unabhängig von Covid-19 in den Erkältungs- und Grippezeiten sowie bei durch Feinstaub belasteter Luft die Vorteile der Verbesserten Luftqualität.

Zu den Glücklichen können sich dieser Tage wohl besonders Chöre zählen, die einen großen Probenraum und zudem eine festinstallierte Lüftungsanlage haben, da unter diesen Voraussetzungen gegebenenfalls und mit lokalen Abweichungen weiterhin eingeschränkte Präsenzproben möglich sind.

Die Videoaufzeichnungen zur gesamten Konferenz sind hier abrufbar.

Salome Martin
04.12.2020