Jakub Jan Rybas Missa solemnis in C pro Festo Resurrectionis wiederentdeckt Drucken

Eine wirkungsvolle Komposition mit verständlicher Musiksprache als Anregung für Chöre

Thumbnail imageJakub Jan Ryba (1765-1815) ist vielen vor allem durch seine populäre Böhmische Hirtenmesse (Česká mše vánoční „Hej, mistře“) bekannt, die um die Weihnachtszeit nicht nur in Tschechien in zahlreichen Konzerten erklingt. Er gehörte zu den gelehrtesten Kantoren seiner Zeit, beherrschte mehrere Sprachen, verfasste philosophische Schriften und hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Schaffen. Ryba wurde am 26. Oktober 1765 in Přeštice/Pschestitz geboren. Er entstammt einer böhmischen Kantorenfamilie und erhielt von seinem Vater Gesangs-, Violin-, Violoncello- und Orgelunterricht. Später wurde er auch im Generalbass-Spiel und in Komposition unterwiesen und konnte den Vater bereits mit zehn Jahren an der Orgel vertreten. 1780 kam er auf das Gymnasium der Piaristen in Prag. Hier beschäftigte er sich auch mit Kompositionen von Carl Philipp Emanuel Bach und Joseph Haydn und war von den Ideen der Aufklärung begeistert.

Am 11. Februar 1788 wurde Ryba als Lehrer in Rožmitál pod Třemšínem angestellt und übernahm auch die Kantorenstelle in der Rožmitáler Pfarrkirche. Die Stadt, die so unzertrennlich mit dem Namen Jakub Jan Rybas verbunden ist, ist eine Kleinstadt mit etwa 4.500 Einwohnern. Ryba kam hierher, als er 23 Jahre alt war und verbrachte hier den Rest seines Lebens. Als Kantor war er angesehen, hatte jedoch auch häufig Unannehmlichkeiten mit seinen Vorgesetzten. Am 26. Juli 1790 heiratete Ryba in Třebíč Anna Laglerová (1769–1823), die Tochter von Jan Lagler, einem Bürger von Rožmitál.

Thumbnail imageRybas Lehrertätigkeit fiel in eine Zeit, in der sich die Grundlagen der modernen Grundschulbildung entwickelten. Der Erfolg und die Wirksamkeit von Erziehung und Bildung hingen in erster Linie vom Lehrer ab – von seiner Beziehung zum Beruf, zu den Kindern und zum gesamten Umfeld, in dem er arbeitete. Ryba hatte das Bedürfnis, sich ständig weiterzubilden, seinen geistigen Horizont zu erweitern und sein Wissen an seine Schüler weiterzugeben. Er war freundlich, wenn nötig, forderte er aber auch streng. Er betrachtete seine Musik nicht nur als Dienst für die Kirche, sondern benutzte Lieder und Musikstücke, um den Kindern eine angemessene ästhetische Erziehung und moralische Grundeinstellung sowie Muster für gutes Verhalten nahezubringen. Er erkannte die Kraft der Musik in der Erziehung und komponierte eine Reihe von Liedern für den Schulunterricht. Aus heutiger Sicht hat Ryba im Bildungsprozess hervorragende Ergebnisse erzielt. Umso mehr beunruhigte ihn das Unverständnis der Öffentlichkeit von Rožmitál, die Meinungsverschiedenheiten mit dem Adel, Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber und die schwierige Bereitstellung von Lebensgrundlagen für seine große Familie. Die sich ständig verschlimmernden materiellen Bedingungen und das Unverständnis der Umwelt waren die Hauptgründe, dass er nach und nach das gesellschaftliche Leben mied. Er wurde menschenscheu und verlor den Glauben an Freundschaft und Gerechtigkeit. Schließlich setzte er seinem Leben durch Freitod ein Ende. Sein Leichnam wurde am 10. April 1815 in einem Dickicht bei Voltuš aufgefunden. Ryba ist in Rožmitál pod Třemšínem begraben. Nach Rybas Tod heiratete seine Frau Anna Rybas 29-jährigen Schulassistenten Antonín Štědrý, auch um für ihre Kinder zu sorgen.

Thumbnail imageRyba ragt aus der Vielzahl begabter böhmischer Kantoren deutlich heraus. Er hinterließ eine große Anzahl von Liedern, Arien und vielfältigste Kompositionen für verschiedene Instrumente (Sonaten, Variationen, Menuette, Duette, Quartette, Konzerte, Symphonien u. a.). In Rybas umfangreicher Kirchenmusik nehmen zahlreiche Messen einen bedeutenden Platz ein. Bei einer Reihe von ihnen bewies er seine kompositorische Meisterschaft, besonders auch die Fähigkeit, musikalische Themen sowohl homophon als auch polyphon zu verarbeiten. Neben der Musik war Ryba auch literarisch aktiv. Er war ein Anhänger seiner tschechischen Muttersprache und leistete einen bedeutenden Beitrag zur beginnenden nationalen Wiederbelebung. Große Verdienste erwarb er sich, indem er eine Musiktheorie in tschechischer Sprache schuf (gedruckt 1817). Er war auch der Komponist der ersten Kunstlieder in tschechischer Sprache, die im Druck erschienen sind.

Thumbnail imageRyba hat 27 Jahre in Rožmitál pod Třemšínem bis zu seinem Tod gelebt und dort als Lehrer und Kantor gearbeitet. Hier entstanden die meisten seiner 1.500 Kompositionen. Einige wurden in Rožmitál aufgeführt, andere waren für den Wallfahrtsort Svatá Hora oder auch für Pilsen oder Prag bestimmt. Rybas Kompositionen waren gefragt und hatten Erfolg. Es ist bekannt, dass eine seiner Messen erfolgreich in Liberec unter dem Namen von Joseph Haydn aufgeführt wurde, denn seine Kompositionen waren so gut, dass sie manchmal einem anderen Komponisten zugeschrieben wurden.

Von Jakub Jan Rybas umfangreichem Werk ist nur etwa ein Drittel erhalten geblieben. Der Großteil seines Nachlasses wird im Museum für tschechische Musik in Prag Prag (České Muzeum hudby) aufbewahrt. Dort befinden sich die meisten der erhaltenen Handschriften. Der Nachlass Rybas wurde zunächst von Antonín Štědrý aufbewahrt. Über ihn gelangten die Handschriften ins Museum nach Prag, wobei es einer umfangreichen Forschungsarbeit bedarf zu unterscheiden, welche Autographen wirklich von Rybas Hand stammen und welche Blätter Abschriften aus verschiedenen Kirchen in Tschechien sind.

Im Jahr 2010 wurde im Regionalmuseum Rožmitál pod Třemšínem eine Dauerausstellung zu Ehren des Komponisten eingerichtet, und seit 2018 findet ein Festival zu Ehren Jakub Jan Rybas in Rožmitál statt. Von den zahlreichen im Verlaufe der Zeit vergessenen Kompositionen Rybas werden nach und nach immer wieder interessante und bedeutende Teile aufgefunden und dem Konzertpublikum zugänglich gemacht. Dazu dient auch die 1990 gegründete Ryba-Gesellschaft in Rožmitál pod Třemšínem (www.jakubjanryba.cz). Sie erforscht den Nachlass des Komponisten, macht seine Werke bekannt und unterstützt das Ryba-Festival. Die Gesellschaft besitzt in Rožmitál ein Archiv mit Dokumenten von Ryba und seiner Zeit.

Thumbnail imageVon J.J. Ryba ist kein zeitgenössisches Bild erhalten geblieben. Fast alle Porträts, die allgemein bekannt sind, stammen aus der Zeit der Romantik. Man ist heute fast sicher, dass Ryba keinen Bart trug, denn das wäre bei einem Dorflehrer seiner Zeit nicht angemessen gewesen. Zeitgenössische Porträts seiner Kinder können im Museum in Rožmitál besichtigt werden, auch Rybas Grab, die Kirche und die historische Orgel aus dem Jahr 1750 kann man besichtigen. Die alte Schule existiert nicht mehr, sie wurde abgerissen und durch ein modernes Haus ersetzt, man weiß jedoch, wo sie stand, und es gibt Umrisse des historischen Baus in Rožmitál.

Das Autograph der Missa solemnis in C pro Festo Resurrectionis (N 347) befindet sich im České muzeum hudby (Tschechischen Musikmuseum) in Prag (Sign. III D 43). Von Ryba gibt es keine Überlieferungen zur Entstehung. Es ist wahrscheinlich, dass diese Messe eines der ersten Werk Rybas war, welches er an seiner neuen Arbeitsstelle in Rožmitál komponierte. Wie der Name schon sagt, sollte es am Fest der Auferstehung des Herrn aufgeführt werden. Da dies 1788 schon auf den 23. März fiel, ist es möglich, dass Ryba die Messe 1788 komponierte, die erste Aufführung jedoch erst 1789 stattfand.

Thumbnail imageEine Wiederaufführung fand anlässlich des Navalisfestes in Prag 2015 im Rahmen einer heiligen Messe statt, weitere Aufführungen gab es auch in anderen Orten, so z.B. 2016 in Jablonec nad Nisou. Eine konzertante Aufführung war im Rahmen des Ryba-Festivals 2020 vorgesehen, das wegen der Corona-Pandemie jedoch verschoben werden musste. Eine CD-Produktion mit L’Armonia Terrena Chamber Philharmonic, L’armonia Vocale und Solisten unter der Leitung von Zdeněk Klauda liegt inzwischen bei Nibiru Publishers Prag vor (www.arta.cz). Partitur und Aufführungsmaterial werden bei Editio Braunensis (www.braunensis.cz) verfügbar sein.

Die Missa solemnis in C pro Festo Resurrectionis (N 347) von Jakub Jan Ryba hat eine Aufführungsdauer von ca. 29 Minuten. Sie ist ganz im Stil der Wiener Klassik komponiert. Die Orchesterbesetzung ist für damalige Verhältnisse ziemlich reichhaltig: Flöte concertante, zwei Oboen, zwei Hörner, zwei Trompeten, Pauken, Streicher, Orgel und Basso continuo (mit Fagott). Dazu kommen vier Solisten (Sopran, Alt, Tenor und Bass) sowie ein gemischter Chor. Mehrere Soli können auch von gut ausgebildeten Chorsolisten übernommen werden, lediglich das Benedictus, das als Sopran-Arie konzipiert ist, stellt höhere Anforderungen an die Solistin. Die Anforderungen an den Chor sind nicht sehr schwierig, große Teile sind homophon komponiert, allerdings sollte der Sopran in der Höhe bis a2 sicher sein. Das Werk folgt der klassischen Satzfolge der lateinischen Messe mit Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei.

Thumbnail imageDas Kyrie ist dem Chor vorbehalten. Der Chorsatz ist im Wesentlichen homophon – nur im zweiten Teil gibt es ein kurzes Fugato. Im umfangreicheren Gloria beginnt der Chor mit dem gesamten Orchester, bei In terra pax fällt das Unisono im Chor und bei den Streichern des Orchesters auf. Das folgende Laudamus übernehmen wieder Chor und Orchester-Tutti, das Domine Deus ist vor allem dem Solosopran mit Streicher- und Flötenbegleitung vorbehalten. Im Qui tollis ist nur das Solistenquartett mit Streicherbegleitung besetzt, bevor im Quoniam von Chor und Orchester thematisches Material des Gloria-Beginns aufgegriffen wird. Schließlich endet dieser Satz mit einer umfangreicheren und anspruchsvolleren Amen-Fuge. Der erste Teil des Credo wird vom Chor in homophonem Satz mit Begleitung des Orchesters begonnen, bevor Alt-, Tenor- und Bass-Solo den Satz weiterführen. Das Et incarnatus wird von allen vier Solisten mit Streicherbegleitung übernommen, bevor sich im Et resurrexit Chor und Orchester anschließen und der Satz im Et vitam venturi mit einer Fuge endet. Das Sanctus wird nach einer langsamen Einleitung mit einem schnellen Teil fortgesetzt – hier dominiert wieder der Chor. Das Benedictus ist ein Sopran-Solo mit Begleitung der tiefen Streicher, wobei die Bratschen geteilt sind. Das abschließende Agnus Dei wechselt zwischen Soloquartett und Chorteilen.

Thumbnail imageJakub Jan Rybas Missa solemnis in C pro Festo Resurrectionis ist eine wirkungsvolle Komposition, die sicher auch außerhalb Tschechiens ihr Publikum findet und mit ihrer verständlichen Musiksprache viele Konzertbesucher erfreuen wird.

Der Autor dankt für erhaltene Informationen dem Janačekchor Jablonec nad Nisou (besonders Frau Eva Rydvalová), Herrn Hubert Hoyer, Frau Ivana Hoyerová und Herrn Radko Štefan (Regionalmuseum und Ryba-Gesellschaft Rožmitál pod Třemšínem) sowie Herrn Zdeněk Klauda. Für die Überlassung der verwendeten Bilder gilt der Dank dem Regionalmuseum Rožmitál pod Třemšínem, Frau Marie Hásková sowie Herrn Jirka Jiroušek (www.nebeske.cz). Der Dank gilt auch dem Museum für tschechische Musik in Prag (besonders Frau Dr. Markéta Kabelková und Frau Marie Stastna) für die Bereitstellung der Autographen-Scans.

Reinhold Stiebert, VDKC
02.06./06.11.2020