Noten- und Musikverlage in der Corona-Krise: Nachgefragt beim Carus-Verlag Drucken

Erweiterung der Reihe „Große Chorwerke in kleiner Besetzung“ und digitale Angebote

Foto: Gebäude des Carus-Verlags (Carus-Verlag)Nicht nur Kulturakteure wie Chöre, Orchester, Veranstalter, Theater oder Kinobetreiber leiden unter der Corona-Pandemie. Auch die Musikverlage haben mit den Auswirkungen zu kämpfen: Wo keine Konzerte stattfinden und Werke aufgeführt werden, werden keine Noten ausgeliehen oder gekauft und die Verlage verlieren einen hohen Anteil an Einnahmen. Vielen Verlagen stellt sich die Frage, wie es weiter gehen kann.

Der Verband Deutscher KonzertChöre (VDKC) möchte auf die Situation der Musikverlage aufmerksam machen, die eng mit der Situation der gesamten Chor- bzw. Amateurmusiklandschaft verbunden ist und hat beim Carus-Verlag mit seinem bedeutenden Angebot an Vokalmusik nachgefragt.

Ester Petri und Dr. Johannes Graulich von der Geschäftsleitung des Verlages beantworteten die fünf Fragen des VDKC:

Gab es in der Geschäftstätigkeit Ihres Verlages vergleichbare Krisensituationen wie die aktuelle Corona-Pandemie?

Der Verlag wurde 1972 gegründet, eine vergleichbare Krise gab es bisher nicht. Im Gegenteil: während der Finanzkrise 2007/2008 konnten wir beobachten, dass sich mehr Menschen der Chormusik zuwendeten – vielleicht aufgrund der Sinnstiftung oder wegen des positiven Gemeinschaftsgefühls. Beides trägt einen ja durch Krisenzeiten – umso schmerzlicher vermissen wir es zurzeit ja auch alle.  

Welche Auswirkungen auf das Verlagsgeschäft spüren Sie am stärksten?

Wir sind ein Musikverlag, der auf Chormusik spezialisiert ist. Da Chöre während der Lockdowns nicht proben und nicht aufführen dürfen und auch sonst aufgrund der Pandemie nur reduziert und eingeschränkt aktiv sein können, spüren wir das natürlich bei unseren Notenumsätzen massiv. Bei unseren CDs setzt uns die Schließung des Einzelhandels natürlich ebenso zu, allerdings ist hier in den letzten Jahren ohnehin durch die Änderung der Nutzungsgewohnheiten ein Rückgang zu verzeichnen.  

Foto: Johannes Graulich, Ester Petri (Carus-Verlag)Welche Lösungen finden Sie, um das Geschäft weiterhin aktiv zu halten?

Im Programm arbeiten wir derzeit intensiv an Werken für unsere Reihe „Große Chorwerke in kleiner Besetzung". Zum Nachholen von ausgefallenen Konzerte im Beethoven-Jahr bieten wir so kurzfristig  eine reduzierte Fassung der Missa solemnis. Für viele Spitzenchöre war dieses Werk ja als Höhepunkt des Jahres 2020 geplant. Ebenfalls neu ist Mendelssohns Elias in einer reduzierten Fassung für Kammerorchester. Erwähnenswert sind auch mehrere interessante Orgelfassungen von Standardwerken der Chorliteratur (u.a. von Bruckner und dem 2021-Jubilar Saint-Saëns). Wir wollen den Chören so ermöglichen, trotz Abstandsregeln, weniger erlaubten Personen auf der Bühne oder auch enger geschnürten Budgets dennoch die großen und beliebten Chorwerke aufzuführen, die sich ja bei den VDKC-Chören einer hohen Beliebtheit sich erfreuen. Um die Chöre jetzt wieder aufzubauen werden sicherlich die Highlights aus Barock, Wiener Klassik und Romantik hilfreich sein.

Ebenso haben wir trotz Kurzarbeit und massiver Sparmaßnahmen unseren Webshop aktualisiert und bieten seit Oktober auch den digitalen Notenverkauf von Partituren und A-cappella-Werken an. Und nicht zuletzt unterstützen wir mit unseren Übehilfen das Proben zuhause – sei es mit der carus-music-App oder den Carus Choir Coaches als mp3-Download und mp3-CD. Viel gemeinsame Probenzeit für die nächsten Konzerte wird es ja vermutlich bei den meisten Chören nicht geben können. Dank der Übehilfen für zuhause sitzen dann zumindest die Töne schon mal gut.  

Gibt es womöglich Entwicklungen, die sich für Sie positiv auswirken?

Um ehrlich zu sein, nein. Das einzig Positive ist, dass wir wieder gemerkt haben, welch gutes Mit- und Füreinander die Kolleginnen und Kollegen untereinander im Verlag und nach außen mit unseren Autor*innen und Kund*innen pflegen. Das Engagement und der Rückhalt für den Verlag und der Chormusik ganz allgemein ist weiterhin groß und wir hoffen sehr, dass uns diese Verbundenheit erhalten bleibt. Wo wir können, betreiben wir Lobbyarbeit für die Chormusik in Deutschland. Es muss einiges passieren, damit die Chormusik vor nachhaltigem Schaden bewahrt wird.  

Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, damit die negativen Folgen für Ihren Verlag bestmöglich abgefedert werden?

Wir mussten unser geplantes Programm leider reduzieren und die staatlichen Unterstützungsprogramme nutzen. Da ist die Kurzarbeit für uns eine der wichtigsten Hilfen, wenn auch für alle im Haus sicher eine der schmerzhaftesten Erfahrungen – und das definitiv nicht nur finanziell. Einige weitere finanzielle Förderprogramme des Bundes haben wir beantragt und teilweise auch bereits bekommen. Das hilft! Aktuell machen wir uns vor allem um die Amateurchöre Sorgen. Wie werden sie den Neustart angehen können? Unserer Meinung nach wird es da auch staatliche Unterstützung brauchen, um die ersten Konzerte nach der Pandemie zu finanzieren. Im letzten Jahr musste ja ein Konzert nach dem anderen abgesagt werden und die Kassen sind nun leer. Und natürlich gilt es auch, die Menschen wieder fürs Chorsingen zu motivieren. Das ist nicht anders als beispielsweise im Sport, ohne Breitensport kann es auch keinen Spitzensport geben. Chormusik ist in Deutschland als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt, das darf nicht wegen einer schweren Pandemie verloren gehen. Um die Situation der Chöre besser zu verstehen, bereiten wir gerade zusammen mit den Chorleitern Jan Schumacher und Tobias Brommann und der Studienleiterin Kathrin Schlemmer der Universität Eichstätt eine Umfrage vor, die die aktuelle Situation der Chöre in Deutschland, Österreich und der Schweiz näher beleuchtet. Wir befürchten gravierende Ergebnisse bei dieser Befragung.

Vielen Dank für das Interview.

VDKC
03.03.2021