„Johannespassion für alle“ – Eine Idee und ihre Umsetzung Drucken

Persönlicher Bericht von Dirk van Betteray - Mucher Konzertgemeinschaft

Thumbnail imageEine Idee stand am Anfang dieses Großprojektes: Im Jahr 2009 wurde an der Musikschule der Homburgischen Gemeinden für die ganze Region eine Chorakademie mit einem Knabenchor und einem Mädchenchor gegründet, um auch im ländlichen Raum Kinder und Jugendliche fördern zu können, deren musikalische Begabung speziell im stimmlichen und chorischen Bereich liegt. Von Anfang an sollten die Mitglieder dieser Chorakademie auch an oratorische Literatur herangeführt werden, und dies besonders  im gemeinsamen Musizieren von Kindern und Erwachsenen. Hier suchte ich nach einem geeigneten Werk. Außerdem sollte nach einigen Jahren Pause wieder ein Großchorprojekt einstudiert und aufgeführt werden. Solche Projekte (wie z.B. Carmina Burana 2006) waren in der Vergangenheit immer sehr erfolgreich und hatten für die Chöre über das Werk hinaus sehr positive Langzeitwirkungen: Choristen mehrerer Chöre der Region lernten sich kennen und auch über das Projekt hinaus gegenseitig unterstützen. Außerdem fanden von den zahlreichen Projektsängern bei solchen Projekten immer einige den Weg ganz in den Chor. Bei diesen Überlegungen kam mir die Idee: Was mit Choristen möglich ist, müsste doch auch mit (Laien)-Instrumentalisten gehen. Welche Anforderungen musste das auszusuchende Werk also haben? Es musste ein Standardwerk der Oratorienliteratur sein zur Heranführung der Kinder und wegen der erfahrungsgemäß größeren  Resonanz bei Projektmusikern. Es durfte die Erfahrenen nicht unter- und die Unerfahrenen nicht überfordern. Es musste finanzierbar bleiben.

Und so kam ich auf die Idee, Bachs Johannespassion „für alle“ in Form eines Zwiebelschalenmodells anzubieten. Neben der Mucher Konzertgemeinschaft erklärten sich zwei weitere meiner Chöre bereit, als Hauptchöre Projektchoristen aufzunehmen. So gab es ohne allzu großen Fahraufwand für alle Interessenten verteilt über die ganze Region die Möglichkeit, an wöchentlichen Proben teilzunehmen. Hier wurden neben den Chorälen der Eröffnungs- und der Schlusschor einstudiert. Diese Partien wurden ebenfalls in den Kinderchören einstudiert, die zusätzlich zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der bachschen Passion mit einem Stück von Oomen/Osterhuis einen eigenen und modernen Blick auf das Passionsgeschehen warfen. Die Mitglieder des Laien-Projektorchesters spielten die Choräle und den Schlusschor mit. Die Turbachöre sang das ensemble cantabile wiehl, das genauso wie das aus Profimusikern bestehende Hauptorchester kammermusikalisch besetzt war. Sowohl die Mitglieder dieses Orchester als auch die Solisten waren Dozenten der Musikschule der Homburgischen Gemeinden oder kamen aus der Region. So konnten die Kinder und Jugendlichen des Chores und des Laienorchesters mit ihren Lehrkräften gemeinsam musizieren – eine auch im Nachhinein wunderbare Erfahrung.

Wie lief das Projekt nun ab? Nach Werbung in der regionalen Presse gab es eine zentrale Informationsveranstaltung für alle Interessenten im September 2010 . Danach begannen die Proben in den Chören. Das Laienorchester, das nun entstand, sollte sich zu mehreren Probenphasen treffen. Doch schon bei der ersten waren die Musiker so gut vorbereitet, dass schon ab der zweiten Probe die Chöre  hinzukommen konnten. Mit den Profis wurde wie üblich gearbeitet. Eine Probenwoche vor der Premiere schloss die Vorbereitungsphase ab.

Es folgten vier ausverkaufte Aufführungen in der ganzen Region im April 2011, wobei jeweils der Chor, der vor Ort angesiedelt war,  die Logistik übernahm. 170 erwachsene Choristen und 30 Kinder sowie 30 Laienmusiker im Projektorchester musizierten neben den Profis – eine unglaubliche Erfahrung für die Mitwirkenden und auch für mich -  hatte ich doch zu Anfang durchaus Angst, ob mit einer solchen Masse von Sängern, die sich auch erst seit kurzem kannten, der Eröffnungschor nicht zu einem Ritt auf der Klinge werden konnte. Nichts davon geschah – es gelangen vielmehr begeisternde und tiefgehende Aufführungen, in denen Arien und Turbachöre  kammermusikalische Feinheiten und Verve besaßen und die Choräle zu einem Glaubensbekenntnis der „Gemeinde“ wurden. Die Presse reagierte genauso enthusiastisch wie die Mitwirkenden, die nicht zuletzt durch die abschließende Probenwoche und die vier Aufführungen zu einer Familie geworden waren, einer Familie aus mehreren Generationen. Die großen Mühen der Vorbereitung hatten sich gelohnt, nicht zuletzt deshalb, weil die Hauptchöre wie die Mucher Konzertgemeinschaft nicht nur stimmlich überzeugten, sondern auch logistisch vollen Einsatz zeigten, was bei kleiner werdenden Zuschüssen und schwieriger werdendem Sponsoring oft die einzige Möglichkeit darstellt, aufwändigere Werke noch realisieren zu können.

Dirk van Betteray
22.08.2011