Die virtuelle Mitgliederversammlung – legitim und praktikabel? |
Versammlungen mit Hilfe der neuen Medien auch über große Entfernungen möglichChöre halten viel auf ihre klassische Mitgliederversammlung. Es ist eine besondere, häufig festlich umrahmte, Versammlung im Jahreslauf, zu der vom Vorstand nach der in der Mitgliederversammlung gesetzten Frist eingeladen wird. Dieser Verein änderte seine Satzung im Hinblick auf die Mitgliederversammlung wie folgt: Das Amtsgericht lehnte die Eintragung dieser Satzungsänderung ab. Auch wenn ein spezieller Chat-Raum verwendet werde, bestehe die Gefahr, dass sich eine fremde Person Zugang verschaffe und sich als Mitglied ausgebe. Des Weiteren könne auch nicht festgestellt werden, ob die anwesenden Mitglieder geschäftsfähig seien. Der Gesetzgeber habe der Versammlung der Mitglieder als Hauptentscheidungsorgan eine besondere Stellung im Vereinsleben zugedacht, der auch durch das physische Zusammenkommen Rechnung getragen werde. Gegen diese Entscheidung wandte sich der die Einladung betreibende Verein mit der Feststellung, die Mitglieder würden ausreichend klar darüber unterrichtet, ob die Versammlung real oder virtuell durchgeführt werde. Die Sicherheit sei durch Verwendung eines speziellen Chat-Raums mit Passwörtern gewährleistet und die Gefahr, dass sich eine vereinsfremde Person Zugang zu diesem Chat-Raum verschafft, sei auf ein Minimum reduziert. Das Oberlandesgericht Hamm ist der Auffassung des Amtsgerichts nicht gefolgt und hat die Satzungsänderung des Vereins akzeptiert. Das heißt: Wenn der Verein das will und eine entsprechende Satzungsformulierung vornimmt, kann er anstelle einer „klassischen" Mitgliederversammlung auch eine virtuelle vorsehen. Das war in der Literatur bis jetzt schon herrschende Meinung, ist aber jetzt erstmals durch ein Obergericht festgestellt worden. Auch mit dem Hinweis, dass beide Formen der Mitgliederversammlung alternativ in der Satzung geregelt sein können. So lässt sich beispielsweise eine außerordentliche Mitgliederversammlung, um reine Formalien abzuhandeln, die von der Mitgliederversammlung beschlossen werden müssen, auf virtuellem Wege durchführen und ohne großen Zeit- und Kostenaufwand; andere, vor allem gesellige Versammlungen, können weiterhin auf klassische Weise durchgeführt werden. Wichtig ist, dass die Satzungsänderung sorgfältig formuliert und bei der praktischen Durchführung virtueller Mitgliederversammlungen auch präzise eingehalten wird. Für Chöre wird die virtuelle Mitgliederversammlung sicherlich noch längere Zeit die Ausnahme bleiben. Es ist aber gut zu wissen, dass es sie gibt und man sich auf diese Weise an entsprechenden, geeigneten Stellen das Vereinsleben erleichtern kann. RA Christian Heieck Quelle: „Singen. Die Zeitung des Schwäbischen Chorverbandes" (Ausgabe 7/8 2013) mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtspraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.
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