„Wir gehn dahin“ und „Das Schifflein“
Im Schott-Verlag ist in diesem Jahr Hans Pfitzners „Zwei Männerchöre“ mit den Stücken „Wir gehn dahin“ (Text: Hans Franck) und „Das Schifflein“ (Text: Ludwig Uhland) erschienen.*
Das Notenbild der Stücke ist aus der ursprünglichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1942 vom Johannes-Oertel-Verlag Berlin/Mainz erhalten. Im Rahmen der damaligen Publikation waren die Stücke dem Kölner Männergesangsverein zu seinem 100-jährigen Bestehen gewidmet.
Hans Pfitzner wurde am 5. Mai 1869 in Moskau geboren. Er studierte Komposition und arbeitete im Anschluss in Berlin und Straßburg. Seinen großen Durchbruch erlebte er 1917 mit der Oper „Palestrina“, die in München uraufgeführt wurde. Pfitzner wurde zu einem der bekanntesten Komponisten Deutschlands, 1918 wurde ihm zu Ehren sogar der „Hans Pfitzner-Verein für deutsche Tonkunst" gegründet. Bereits in dieser Zeit äußerte er sich mit musikästhetischen Schriften und Titeln wie „Futuristengefahr“ (1917) oder „Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz“ und ließ darin seine antisemitische Haltung durchscheinen. Im NS-Staat interessierte sich Pfitzner auch für eine politische Karriere, erlangte jedoch nicht die gewünschte Aufmerksamkeit, weil man nicht viel von seiner egozentrischen Art hielt. 1949 wurde Pfitzner im Entnazifizierungsprozess freigesprochen, weil er nicht unmittelbar als Mörder des NS-Regimes beschuldigt werden konnte. In seinen Schriften verbreitete er jedoch seine menschenfeindliche Sichtweise und politisierte die Musik mit seinen Kompositionen.
Pfitzner schrieb neben einigen Opern eine große Zahl an Klavierliedern, einige Orchesterwerke, Kammermusik und Werke u.a. für Chor. Das erste der hier vorliegenden Stücke, „Wir gehn dahin“, ist für vierstimmigen Männerchor a cappella komponiert, „Das Schifflein“ zusätzlich für eine „große Flöte“, ein Horn in F sowie einen Solo-Sopran. Beide bewegen sich textlich im volksliedhaften Bereich, setzen dabei aber auf eine verhältnismäßig komplexe Rhythmik und arbeiten mit vielen Dissonanzen. Die Texte stammen von Hans Franck und Ludwig Uhland.
Inwiefern ein Chor einem Komponisten wie Pfitzner durch Aufführung von dessen Werken eine Plattform geben möchte, muss letztlich jedes Ensemble selbst entscheiden. Für die Frage nach der Trennung von Werk und KünstlerIn gibt es keine allgemeingültige Antwort, sondern meist gewichtige, individuelle Argumente für beide Seiten. Eine Aufführung sollte in jedem Fall kritisch in den historischen Kontext eingeordnet werden.
*“Diese Ausgabe enthält möglicherweise Titel, Begrifflichkeiten oder Illustrationen, die in ihrem historischen Kontext zu sehen sind. Sie verwendet gegebenenfalls eine nicht-gendersensible Sprache, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes etabliert war. Der Verlag distanziert sich von Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art.“ Der VDKC schließt sich dem Verlag an.
Informationen:
Hans Pfitzner: Zwei Männerchöre. Für Männerchor mit Flöte, Horn und Sopran-Solo, op. 49 Nr. 1&2, ISMN 979-0-001-21669-2, 3,99 Euro I Bestellung
VDKC, Schott Music
01.12.2022