Foto: Atelier Müller-Hilsdorf: Joseph Gabriel Rheinberger, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde (G-57/220.94) (Wikimedia commons)
Foto: Atelier Müller-Hilsdorf: Joseph Gabriel Rheinberger, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde (G-57/220.94) (Wikimedia commons)

Ein lohnendes chorsinfonisches Repertoirestück der Spätromantik

Spätromantisch gewichtig wirkt Josef Gabriel Rheinbergers große Weihnachts-Kantate „Der Stern von Bethlehem“. Sie ist eine faszinierende Mischung aus fast wagnereskem Pathos und neo-barocker Formerfüllung. „Frohlocke Welt, Alleluja!“ 

Der Stern von Bethlehem ist eines der weit verbreitetsten und geheimnisvollsten Symbole der Weihnachtszeit. Welches astronomische Ereignis ihm zum Vorbild gedient hat, ist umstritten. War es ein Komet, eine Supernova oder vielleicht eine Planetenkonjunktion? Tatsächlich bewegten sich im Jahr 7 vor Christus zwei Planeten, nämlich Jupiter und Saturn, sehr nah aneinander vorbei. Diese „Große Konjunktion“ fand im Sternbild der Fische statt und war genau genommen sogar eine seltene „dreifache Konjunktion“, denn beide Planeten wurden gleichzeitig auch noch von unserer Erde überholt. Daher blieben Jupiter und Saturn scheinbar am Himmel stehen, was kundigen Himmelsbeobachtenden aufgefallen sein dürfte. Die Beschreibung passt zur biblischen Erzählung des Evangelisten Matthäus: „Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.“

Als Symbol steht der Stern für Wegbegleitung, denn Sterne haben seit Urzeiten nicht nur den Seefahrenden den Weg gewiesen, Kundige orientieren sich an ihnen bist heute. Ein weiterer Hinweis, dass das Leuchten von Jupiter und Saturn als Stern von Bethlehem gedeutet worden sein könnte, ist, dass Jupiter als Königsplanet und Saturn als „Planet des Volkes Israel“ galt. Das Sternbild „Fische“ war außerdem ein Sinnbild für das Land Judäa. Aus dieser so außergewöhnlichen Konstellation hätten die drei Weisen aus dem Morgenland schnell schließen können: Ein neuer König ist geboren!

Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901): „Der Stern von Bethlehem“ op.164
Weihnachtskantate für Sopran, Bass, Chor und Orchester (1890)

  1. Erwartung (Chor)
  2. Die Hirten. Pastorale (Sopran solo und Chor)
  3. Erscheinung des Engels (Sopran solo und Chor)
  4. Bethlehem (Bass solo)
  5. Die Hirten an der Krippe (Chor)
  6. Der Stern (Chor)
  7. Anbetung der Weisen (Chor)
  8. Maria an der Krippe (Sopran solo)
  9. Erfüllung (Chor)

Besetzung: Sopran, Bass, Chor SATB, 2 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke, Streicher, Harfe, Orgel

Text: Fanny von Hoffnaaß

Entstehung: Januar bis Juni 1890

Uraufführung: Kreuzkirche, Dresden, 24. Dezember 1892

Aufführungsdauer: ca. 50 Min.

Wer heute ein chorsinfonisches Werk der spätromantischen Epoche für die Aufführung im weihnachtlichen Kontext sucht, findet mit „Der Stern von Bethlehem“ von Josef Gabriel Rheinberger eine lohnende Weihnachtsmusik.

Foto: Ludwigskirche München – eine der Wirkungsstätten Rheinbergers (jha/Wikimedia commons
Foto: Ludwigskirche München – eine der Wirkungsstätten Rheinbergers (jha/Wikimedia commons

Rheinberger, 1839 in Liechtenstein geboren, ging mit zwölf Jahren als Jungstudent an das „Hausersche Conservatorium“ in München, das eben jenem Franz Hauser seinen Namen verdankte, der Mendelssohn die Luther-Choräle geschenkt hatte. Der bayerischen Hauptstadt blieb er von da an treu und prägte maßgeblich das Musikleben der Stadt, die laut Thomas Mann „leuchtete“. Rheinberger war Organist an den Kirchen St. Ludwig und St. Michael, Klavier- und Kompositionslehrer (u. a. von Engelbert Humperdinck und Wilhelm Furtwängler), wurde Königlicher Hofkapellmeister (für den „Märchenkönig“ Ludwig II.) und Leiter der Kirchenmusik am Münchner Hof.

Auf einen Text seiner dichtenden Frau Franziska von Hoffnaaß (1831–1892) schrieb Rheinberger 1890 die Weihnachtskantate „Der Stern von Bethlehem“, der die bewusst ländlich naiv gehaltenen Verse mit Anklängen an die alpenländische Krippenspiel-Tradition in eine ebenso einfach gehaltene musikalische Sprache verwandelt, die dennoch mit „neudeutsch“ aktuellen Techniken wie der Leitmotivik hantiert. So rahmt das einleitende „Stern-Motiv“, ein fast „parsifalesk“ anmutendes Liturgie-Zitat, die ganze Komposition und taucht als strukturbildendes Motiv immer wieder auf. Dazwischen verdeutlicht Rheinberger seine Traditionsverbundenheit etwa im zweiten Satz, der „Pastorale“, mit tirilierenden Flötenmotiven, die auf Beethoven rekurrieren, oder durch neobarock dramatische Orchesterbehandlung etwa im sechsten Satz „Der Stern“.

So steht der Komponist, der sich selbst als „einsam im modernen Strome“ empfand, sehr individuell zwischen Tradition und Neuerung. Seinen „Stern von Bethlehem“ hat er leider nie selbst gehört, da ihn die schmerzhafte Erinnerung an seine geliebte Frau, die eine Woche nach der Dresdner Uraufführung 1892 verstorben war, zeitlebens davon abhielt – gleichwohl preist das Werk am Ende in Christus den Todesüberwinder: „Frohlocke Welt, dem Tod entwunden, hast du in Christ das Leben gefunden. Alleluja!“

Ulrich Frey

01.09.2023

Im Weihnachtskonzert mit dem Philharmonischen Chor Kiel und dem Philharmonischen Orchester Kiel in der Wunderino Arena am 04.12.2022 stand das Werk auf dem Programm. Wir danken dem Theater Kiel und Ulrich Frey für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

Fotos:

Atelier Müller-Hilsdorf: Joseph Gabriel Rheinberger, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde (G-57/220.94) (Wikimedia commons, Lizenz)

Ludwigskirche München – eine der Wirkungsstätten Josef Gabriel Rheinbergers (jha/Wikimedia commons, Lizenz)

 

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