Foto: Prof. Ekkehard Klemm (Claudia Hübschmann i.A.d. Elbland-Philharmonie-Sachsen)
Foto: Prof. Ekkehard Klemm (Claudia Hübschmann i.A.d. Elbland-Philharmonie-Sachsen)

JAUCHZET, FROHLOCKET!

Echt jetzt? Der weihnachtliche Jubelruf bleibt uns in diesem Jahr gehörig im Halse stecken. Nach knapp zwei Jahren Krieg Russlands gegen die Ukraine, nach dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel und der unfassbaren Tatsache, dass jüdische Menschen in Deutschland abermals angefeindet werden und sich ihres Lebens und Wirkens nicht sicher sein können, nach allen Herausforderungen im Zusammenhang mit Naturkatastrophen, Klima-, Wirtschafts- und Finanzproblemen Pauken, Trompeten, Chor und Orchester das berühmte D-Dur anstimmen zu lassen, scheint ein Widerspruch in sich und passt dennoch ins Bild einer Kultur, die sich ihrer selbst immer wieder auch durch das Beschwören von Traditionen versichern muss.

Unter der Überschrift „Freude, schöner Götterfunken“ und mit dem Blick auf 14,3 Millionen musizierende Menschen in Deutschland sinniert auch Jan Brachmann in der FAZ des 30.12.2023 über die musikalischen Traditionen zum Jahresausklang und merkt an:

„Um die Kraft des Trostes in der Musik zu erschließen, bedarf es genau jener kulturellen Praxis, für die unsere zahlreichen Silvester- und Neujahrskonzerte ein Beispiel sind. Beethoven selbst sprach angesichts des ersten Satzes seiner Neunten vom ,verzweiflungsvollen Zustand'. Dieses Werk, das am 7. Mai 2024 zweihundert Jahre alt werden wird, erzählt auch davon, dass die finale ,Freude' eine existenzielle Anstrengung bedeutet. Pessimismus ist dagegen Zustimmung zum Vorfindlichen und immer billig zu haben.“[1]

Die politischen Ereignisse und gesellschaftlichen Entwicklungen, ja Verwerfungen, stimmen uns pessimistisch. Und dennoch können gerade an dieser Stelle die Kunst im Allgemeinen und die Musik im Besonderen Lebenshilfe sein und Visionen verwirklichen. Der Komponist Helmut Lachenmann mahnt uns, die Musik existenziell zu begreifen und Kunst als eine vom Geist beherrschte Magie zu entfalten. In diesem Sinne kann ein trotziges „Jauchzet, frohlocket“, ein gegen alle Erfahrungen behauptetes „Alle Menschen werden Brüder“ uns ins Jahr 2024 tragen und Aufforderung sein, nicht nachzulassen in unseren Bemühungen um ein Verstehen anderer Menschen und Kulturen. Bleiben wir visionär!

Ich wünsche Ihnen ein friedvolles und gesundes Jahr 2024, das Ihnen und uns allen inspirierende musikalische Erlebnisse bringen und an dessen Ende es auch wieder heißen möge:

Jauchzet, frohlocket! Echt! Jetzt! Und dennoch!

Ihr

Ekkehard Klemm
Präsident des Verbandes Deutscher KonzertChöre
02.01.2024

[1] Jan Brachmann, Freude, schöner Götterfunken; FAZ online am 30.12.2023; https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/kommentar-zum-jahreswechsel-freude-schoener-goetterfunken-19415645.html

 

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