Festliches Jubiläumskonzert unter der Leitung von Franziska Kuba in der Nikolaikirche in Leipzig
Auf 25 bewegte und musikalisch intensive und abwechslungsreiche Jahre kann das Vocalconsort Leipzig bereits zurückschauen.
Die Geschichte des Chores begann 1999 in einem Leipziger Wohnzimmer, wo sich Ehemalige der Clara-Wieck-Schule Zwickau trafen, um gemeinsam für ein Adventskonzert in der Heimat zu proben. Es folgten einige Probenortwechsel (das Ensemble wuchs schnell an, mittlerweile zählt es ca. 35 Personen) und erst kleinere, dann größere Konzertreisen, die nicht nur ins Erzgebirge, sondern auch mal an die Ostsee und später auch ins Ausland (Bosnien-Herzegowina, Niederlande, Belarus, Schweden, Polen) führten. Im Jahr 2018 verließ Gregor Meyer, der seit der Gründung des Vocalconsorts dessen künstlerischer Kopf und mittlerweile Leiter des Gewandhauschores geworden war, sein „Baby“. Das Auswahlverfahren für die neue Chorleitung konnte Franziska Kuba souverän für sich entscheiden. Sie prägt seit nunmehr sieben Jahren auf ihre Weise den Charakter des Vocalconsort Leipzig.
Franziska Kuba, die mittlerweile Professorin für Chorleitung an der Hochschule für Musik in Detmold ist, legt neben einem frischen, ausgewogenen Klang und wohlgeformter Sprache großen Wert auf Freude am gemeinsamen Musizieren, konzipiert immer wieder besondere Konzertformate und organisiert Kooperationen mit Künstler*innen, bei denen musikalisch konventionelle Grenzen überwunden werden. So konzertierte das Vocalconsort Leipzig in der jüngeren Vergangenheit mehrmals mit dem interkulturellen Asambura-Ensemble aus Hannover (zur Aufführung kam die Missa Melasurej, die CD-Veröffentlichung und weitere Konzerte sind für 2025 geplant); mit dem Leipziger Jazz-Komponisten Philip Frischkorn hat es dessen Werk „Schumann // Utopia“ im UT Connewitz zur Uraufführung gebracht; bei den Leipziger Jazztagen war es mit der „Brexit Big Band“ von Matthew Herbert zu erleben. Mit diesem Programm bezog der Chor auch politisch Stellung, eine Besonderheit und in der Musikwelt sicher keine Selbstverständlichkeit, durch die sich auch das Jubiläumskonzert 2018 mit dem Titel „Europa inspiriert!“ auszeichnete. Die Frage, wie viel Politik in die Kunst gehört, stellt sich für Franziska Kuba nicht, ihr zufolge sei es unabdingbar, sich mit den Ereignissen in der Welt und im eigenen Umfeld aktiv auseinanderzusetzen, immerhin seien wir alle, auch die klassische Musikwelt, Teil davon.
So trug denn auch das Konzert anlässlich des 25. Chorjubiläums am 13. Oktober 2024 in der Nikolaikirche eine klare Handschrift. Zum großen Thema des Abends hatte der Chor ein gesellschaftlich besonders relevantes Thema auserkoren: den 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution sowie weitere friedliche Bewegungen weltweit. Gerade heute erscheint es so wichtig wie lange nicht mehr, einen Ruf nach Frieden in die Welt zu tragen. Der Titel des Konzertes „Let Freedom Ring!“ ist ein Zitat aus der berühmten „I Have a Dream“-Rede von Martin Luther King Jr. von 1963, einem der bedeutendsten Vertreter im gewaltfreien Kampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit. Im Konzert waren folglich verschiedene Werke zu hören, die sich musikalisch mit unterschiedlichen (Friedens-)Bewegungen auseinandersetzten: Dazu gehörten natürlich die Leipziger Bürger*innenbewegung (Siegfried Thiele: „Motette für vier- bis sechsstimmigen Chor“), aber auch die aktuelle Frauenbewegung im Iran (Sarvenaz Safari: „NOVA“), die Widerstandsbewegung gegen den Militärputsch in Chile von 1973 (Peter Berg: „El pueblo unido jamás será vencido“, Uraufführung) und die singende Revolution (Gustav Ernesaks: „Mu isamaa un minu arm“), bei der sich die Menschen im Baltikum in einer 600 km langen Menschenkette singend der russischen Besatzung entgegenstellten. In drei eigens für dieses Konzert komponierten Stücken (Kenedea Lee: „Ballad of Birmingham“, Jemina Brechoire: „Et le mur s’est brisé“, Shahar Regev: „Wishes of the Young and Old“) sowie in dem Stück „Let Freedom Ring“ von Reiko Füting wurde u. a. die „Black Lives Matter“-Bewegung in den USA besungen. Den Rahmen zu den teils experimentellen Werken, bei denen mit dem Raum, mit Licht und den verschiedenen Facetten der menschlichen Stimme gespielt wurde, bildeten klassische Chorkompositionen von Brahms („Fest- und Gedenksprüche“), Schönberg („Friede auf Erden“) und Hessenberg („O Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“). In 90 Minuten wurde dem Publikum somit durch das abwechslungsreiche Programm ein nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch vielschichtiges Hörerlebnis geboten.
Der Leipziger Lyriker Radjo Monk rundete das Programm mit Ausschnitten aus seinem poetisch-politischen Tagebuch ab, in dem er seine Sicht auf die Geschehnisse 1989 schilderte. Das Jubiläumskonzert wurde nicht nur zu einer Geburtstagsfeier, sondern auch zu einem vielstimmigen Gedenken und einer Mahnung: Der Weg zu Freiheit und Frieden ist oft lang und erfordert den Einsatz Vieler. Die Musik fungierte als Ausdruck einer gemeinsamen Sehnsucht nach einer besseren Welt. Es ist diese Sehnsucht, die derartige Musik entstehen, die sie uns gemeinsam musizieren, anhören und genießen lässt. Und nicht wenige Zuhörende und Singende verließen wohl mit dieser Sehnsucht im Herzen ein besonderes Jubiläumskonzert.
Für die Zukunft sind bereits weitere Konzertformate geplant, die immer wieder Althergebrachtes in Frage stellen und uns alle dazu aufrufen sollen, uns zu besinnen, uns zu engagieren, aber immer auch uns fallen zu lassen auf den wunderbaren Klangteppich, den das Vocalconsort Leipzig seinem Publikum und am Ende auch sich selbst schenkt. Wir dürfen gespannt sein, wohin uns die Reise in den nächsten (2)5 Jahren führt!
Linda Menzer und Sophie Justen
12.11.2024
