Foto: Workshopabschluss St. Dionysius-Kirche in Sittensen (Katja Henning)
Foto: Workshopabschluss St. Dionysius-Kirche in Sittensen (Katja Henning)

Workshop beleuchtete barocke Nationalstile

Vom 21. bis 23. Oktober 2022 fand in Sittensen (Niedersachsen) das 1. VDKC-Dirigieratelier des Landesverbandes Nordwest statt.

Sechs aktive TeilnehmerInnen und ein passiver Teilnehmer erarbeiteten unter Anleitung der Dirigenten Prof. Frank Löhr und Antonius Adamske sowie dem Altisten Prof. Kai Wessel ein Kursprogramm, das sich aus drei vollkommen unterschiedlichen Kompositionen zu einem neu gefügten Ordinarium missae formte:

Johann Sebastian Bach (1685-1750): „Lutherische Messe in g-Moll“, BWV 235

Jan Dismas Zelenka (1679-1745): Credo, ZWV 32

Marc-Antoine Charpentier (1643-1704): Sanctus aus „Missa Assumpta est Maria“, H. 11

Guillaume-Gabriel Nivers (1632-1714): Benedictus aus „2de Livre d’Orgue“

Marc-Antoine Charpentier: Agnus Dei sowie Domine Salvum fac Regem aus „Missa Assumpta est Maria“, H. 11

Ausgehend von Bachs unvergleichlichem Personalstil, der französische und italienische Stilmerkmale mit höchster kontrapunktischer Kunstfertigkeit in Einklang bringt, trat der italienische Stil in einem Werk des tschechischen Komponisten Zelenka in Erscheinung. Sein Credo in C-Dur lässt deutllich das Vorbild Vivaldis erkennen. Charpentier repräsentierte schließlich – wenn auch zur Zeit der Entstehung der „Missa assumpta“ bereits unter dem italienischen Einfluss Carissimis stehend – den französischen Stil mit seiner differenzierten Ornamentik und dem charakteristischen „jeu inégal“, das die Teilnehmer mit dem Kursensemble ELBIPOLIS Barockorchester Hamburg proben konnten.

Der Grund für dieses unkonventionelle Programm: Bei der Interpretation der Werke ging es neben dem Erlernen dirigentischer Aspekte um die stilgetreue Wiedergabe im Sinne eines barocken Klangidioms bzw. im Sinne der barocken „Nationalstile“. Die Aufführungen der ersten Opern um das Jahr 1600 hatten einen revolutionären Umschwung in allen Bereichen der Musik. Diese von Italien ausgehende Entwicklung des Barockstils, die alle musikalischen Gattungen nach und nach einschließt, führte in Frankreich eine Generation später zur Ausbildung eines nationalen Musikstils. Obwohl von einem gebürtigen Italiener maßgeblich geformt, unterschied dieser sich so grundlegend vom italienischen Stil, dass beide Schulen für lange Zeit als unvereinbar wahrgenommen wurden. Erst die deutschen Komponisten um 1700, allen voran Georg Muffat, versuchten sich in einem „vermischten Geschmack“, der italienische und französische Einflüsse miteinander verband. Dies blieb prägend für die nachfolgende Generation der deutschen Komponisten, etwa Telemann, Händel und Bach.

Das dreitägige Dirigieratelier mündete schließlich in ein Gesprächskonzert, in dem gleichzeitig auch AmateursängerInnen profitieren konnten: Im Chor sangen Mitglieder des Monteverdi-Chor Hamburg sowie Gäste verschiedener anderer VDKC-Chöre. KursteilnehmerInnen, OrchesterspielerInnen, ChorsängerInnen und das Dozententeam waren sich nach Abschluss der Veranstaltung einig, dass das Format in den nächsten Jahren wiederholt werden soll.

Antonius Adamske, Frank Löhr

28.11.2022

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