ergänzt und herausgegeben von Howard Arman 

Mozart verstarb über der Komposition eines, seines Requiems. Das ist eine biographisch irgendwie harmonische Koinzidenz, auch wenn die Tragik des viel zu frühen Todes des in der Musikwelt unersetzbar gebliebenen Meisters alle anderen Wahrnehmungen überschattet. 

Seit Ende 1791 obliegt also der Nachwelt die Sorge um das im Werden verwaiste Werk. Um eine rasche Fertigstellung kümmerte sich zunächst Constanze Mozart und beauftragte nach einem ersten Versuch Joseph Leopold Eyblers Franz Xaver Süßmayr, mit dem ihr Mann bereits Gesangspartien durchgegangen war. Die Skizzen der bezifferten Basslinien hinterlassenen ersten Sätzen galten als komponiert – überließen Tonsetzer doch häufig die Arbeit des Aussetzens den Notisten. Darüber hinaus soll es „Zettel“ mit weiteren Ideen für das gesamte Requiem gegeben haben. In der Einschätzung, wieviel musikalischen Materials für die Sanctus, Benedictus und Agnus Dei sich auf Mozarts Schreibtisch tatsächlich noch fand, widersprechen sich die Äußerungen der Witwe und diejenigen des Schülers. Denn beide sprachen interessegeleitet: Constanze Mozart wollte das gesamte Werk als vollständig von Wolfgang komponiert verkaufen, Süßmayr hingegen seine eigene Leistung – durchaus auch aus Hochachtung für seinen Lehrer – von der Mozarts abgrenzen. Fest steht, daß Süßmayr den Auftrag, Mozarts Stil nachzuahmen, gewissenhaft erfüllen wollte. 

Diese Intention schützte den braven Komponisten nicht vor der vernichtenden Kritik Richard Maunders, der in den 1980er Jahren eine eigene Ergänzung vorgelegt hat, um der „vollständigen Abwesenheit von Wundern“ in Süßmayrs Neukompositionen abzuhelfen und mit knapp 200 Jahren Abstand und dem Wissen etlicher Forschergenerationen eine eigene Vervollständigung vorzulegen. Er war nicht der erste: Seit 50 Jahren werden Alternativ-Vervollständigungen des Mozart-Requiems vorgelegt. 

Warum die neue Rekonstruktion des Werkes von Howard Arman dennoch wichtig ist, erschließt sich aus seiner Unterscheidung des Arrangeurs Süßmayr vom Komponisten Süßmayr. Frühere Überarbeitung von dessen doch so lange eingeführten Fassung verfuhren sehr unachtsam mit Süßmayrs kompositorischen Schaffen – als gelte es keinen Schutz des geistigen Eigentums bei Komponisten, denen jahrzehntelange Forschung Unzulänglichkeiten oder Fehleinschätzungen des Mozartschen Stils nachweisen zu können glaubt. 

Abb.: Fassungsvergleich Mozart Requiem, Seite 1 (Carus Verlag)
Abb.: Fassungsvergleich Mozart Requiem (Carus Verlag)

An dieser Stelle denkt Arman neu – und behutsamer. Die Arbeit Süßmayrs als Komponist von Sanctus bis Agnus Dei übernimmt er ohne Eingriffe. Findet doch die Musikwissenschaft durchaus „echt Mozartsches Vokabular“ in Süßmayrs Schlusssätzen. Daß Süßmayrs Orchestrierung allerdings hinter seinen damaligen Möglichkeiten zurückblieb, ist heute wissenschaftlicher Konsens. In Mozarts Kompositionen ist keine einzige Note redundant. Das Inadäquate von Süßmayrs Umgangs mit Mozarts Skizzen vom Kyrie bis zum Offertorium ändert Arman daher und verschafft Musikern wie Publikum durch die neue Behandlung einzelner Instrumentengruppen neue Hörerlebnisse dieser lang bekannten Musik. 

Für die „Amen“-Fuge des Lacrimosa bilden die in den 1960er Jahren identifizierten Original-Skizzen die Grundlage für Armans Komposition. Mit einer 100taktigen Anlage des Satzes huldigt er Mozartscher Zahlensymbolik und beachtet auch den Tonartenzyklus der Sequenz, deren Abschluss das „Amen“ ja bildet. 

Informationen: Wolfgang Amadeus Mozart: Requiem KV 626, ergänzt und herausgegeben von Howard Arman, Carus Verlag, ISMN 979-0-007-29423-6, Partitur 65,00 Euro, Stimmenset Orchestermaterial 179,- Euro, Chorpartituren ab 9,50 Euro (Mengenrabatt) | Bestellung 

Dr. Cornelie Becker-Lamers, VDKC 

09.08.2024

Download Grafik Fassungsvergleich Mozart Requiem, Seiten 1-2 (Carus-Verlag)

 

 

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