Ein zeitgemäßes Instrument für ein wertschätzendes Miteinander im Chor
Chöre sind nicht nur musikalische Ensembles, sondern auch soziale Gemeinschaften, in denen Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenkommen.
Ein respektvolles Miteinander ist unerlässlich – sowohl für die künstlerische Arbeit als auch für das Wohlbefinden aller Beteiligten. Der Bachchor Heidelberg hat dazu einen Verhaltenskodex entwickelt, der als wegweisendes Beispiel für eine moderne und wertebasierte Chorgemeinschaft dienen kann.
Motivation für den Kodex war der Wunsch, die Werte des Chores nicht nur zu benennen, sondern konkrete Handlungsgrundlagen für den Umgang miteinander zu schaffen. Ziel ist es, dass sich jedes Mitglied des Bachchores Heidelberg sicher, wertgeschätzt und respektiert fühlt – unabhängig von seiner Rolle im Chor, der Dauer seiner Mitgliedschaft, seinem Alter oder seiner Herkunft. Gleichzeitig bietet er Orientierung und Schutz in sensiblen Situationen wie Mobbing, Diskriminierung oder auch Grenzüberschreitungen. Ein wesentlicher Bestandteil des Kodex ist die Wahl einer Vertrauensperson, die den Mitgliedern in schwierigen Momenten zur Seite steht. Diese Vertrauensperson vermittelt auf Wunsch, unterstützt durch ein vertrauliches Gespräch oder erarbeitet Lösungswege. Sie verpflichtet sich dabei zur absoluten Verschwiegenheit.
Die Erarbeitung des Kodex erfolgte bewusst durch eine Arbeitsgruppe ohne Vorstandsmitglieder, um eine offene und gleichberechtigte Diskussion ohne direkte Einflussnahme zu gewährleisten. Die achtköpfige AG diskutierte intensiv in mehreren Sitzungen und erarbeitete einen Entwurf, der abschließend in Abstimmung mit dem Vorstand der gesamten Chorgemeinschaft vorgestellt und verabschiedet wurde. Ein zentraler Diskussionspunkt war der Umgang mit physischen und psychischen Einschränkungen: Während der Chorgesang bestimmte Fähigkeiten wie z.B. stimmliche Belastbarkeit und Kondition für lange Konzerte voraussetzt, ermöglicht der Kodex eine individuelle Abwägung, die Toleranz und Offenheit fördert, ohne die künstlerischen und gemeinschaftlichen Ziele zu gefährden oder den Eindruck zu erwecken, dass eine Teilnahme rechtlich oder moralisch erzwungen werden könnte. So wird die Balance zwischen Inklusivität und den spezifischen Anforderungen des Chors gewahrt.
Die Mitglieder des Bachchors nahmen den Kodex mit großer Zustimmung an, da sie sich gut mit der positiv formulierten Ausrichtung identifizieren konnten. Statt Regeln und Konsequenzen in den Vordergrund zu stellen, zeigt der Kodex, wie eine ideale Chorgemeinschaft gestaltet werden kann. Er wirkt unaufdringlich im Hintergrund und schafft so eine vertrauensvolle Basis für ein harmonisches Miteinander – getragen von gemeinsam gelebten Werten.
Nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Entstehungsprozess schärfte das Bewusstsein für gemeinsame Werte und fördert damit den Austausch innerhalb der Gemeinschaft. Der Kodex ist mehr als ein Dokument: Er steht für eine zeitgemäße Chorkultur, die den Menschen und die Musik in den Mittelpunkt stellt. Gerade in einer Zeit, in der Diversität und Inklusion zentrale Themen sind, können Chöre eine Vorbildfunktion einnehmen. Der Bachchor Heidelberg zeigt, wie ein Verhaltenskodex das Miteinander stärkt und eine produktive, vertrauensvolle Atmosphäre schafft – die ideale Basis für musikalische Höchstleistungen.
Der vollständige Kodex kann auf der Homepage des Bachchores Heidelberg eingesehen werden.
Johanna Schwarz
03.12.2024