Die „Architekten“ des Konzertprojekts bei der Vorbereitung: Horst Heller und Ulrike Hohmann-Lütvogt (Andrea Kling)
Die „Architekten“ des Konzertprojekts bei der Vorbereitung: Horst Heller und Ulrike Hohmann-Lütvogt (Andrea Kling)

Erinnerung an fröhliche Tage in der Pfalz

Im Sommer 1844 verbrachte Felix Mendelssohn Bartholdy einige Tage in der Pfalz. Er leitete am 31. Juli und am 1. August das 11. Pfälzische Musikfest in Zweibrücken.

Am 3. August machte er sich auf den Rückweg zu seiner Familie und machte in dieser Zeit Bekanntschaft mit der Begeisterungsfähigkeit der Pfälzerinnen und Pfälzer und ihrer Liebe zum Wein. Ulrike Hohmann-Lütvogt, eine der beiden Vorsitzenden des Chors, entwickelte die Idee, an dieses Ereignis vor 180 Jahren mit einem Konzert zu erinnern. Es entstand der Plan eines moderierten Festkonzerts, bei dem neben der Musik, die 1844 in Zweibrücken erklungen war, auch ein Stück Lokalgeschichte erzählt werden sollte. Horst Heller recherchierte in den Briefen des Komponisten, die digitalisiert und online zugänglich sind. Ulrike Hohmann-Lütvogt verfasste einen Moderationstext, der von dem Schauspieler Rainer Furch vorgetragen wurde. Am 6. Oktober 2024 waren alle Vorbereitungen abgeschlossen: In der ausverkauften Festhalle erklang ein Chorkonzert, das es so noch nie gegeben hatte und wohl auch nicht mehr geben wird. Unterstützt wurde der Oratorienchor Pirmasens von dem Bass-Bariton Klaus Mertens, der Kammerphilharmonie Karlsruhe, dem Frauenkammerchor ex-semble aus Münchweiler an der Rodalb und Julian Haßler am Klavier. Die Leitung hatte Christoph Haßler.

Den Anfang machten zwei Stücke aus Felix Mendelssohn Bartholdys „Paulus“. Dieses Oratorium war auch 1844 in Zweibrücken erklungen. Es folgte das Terzett „Hebe deine Augen auf“ aus Mendelssohns zweitem großen Werk für Chor und Orchester. Gesungen wurde es von der Empore aus vom Frauenchor ex-semble.

Rainer Furch (Manfred Gortner)
Rainer Furch (Manfred Gortner)

Die Zuhörerinnen und Zuhörer in der Festhalle begleiteten sodann den Komponisten auf seiner Reise durch die Pfalz. Mendelssohn war nie zuvor in dieser Region gewesen und kannte die Heimatliebe der Pfälzer noch nicht. Der Oratorienchor sang deshalb a cappella Mendelssohns „O Täler weit, o Höhen“ nach Worten von Joseph von Eichendorff. Noch einmal erklang ein Stück, das auch aus dem „Elias“ bekannt ist. Die Motette „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ wurde in einer Bearbeitung von Gunther Martin Göttsche vom Frauenkammerchor ex-semble vorgetragen. Die ersten Noten dieser Motette hatte Mendelssohn auf der Reise von Bad Soden nach Zweibrücken notiert. In die Pause geleitete das Publikum „Ein musikalischer Spaß“ von Wolfgang Amadeus Mozart. In Zweibrücken war er nicht erklungen. Warum er in Pirmasens dennoch zu hören war, erklärte der Moderationstext. Mendelssohn hatte seiner Schwester erzählt, dass er die vielen falschen Töne nicht habe überhören können, aber die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Leute habe alles aufgewogen: „Knapp 60 Jahre zuvor musste Mozart die ‚unbegreiflichen falschen Noten‘ für seinen Musikalischen Spaß extra auskomponieren. Mendelssohn bekam sie auf dem Musikfest in der Pfalz gratis dazu“, so die Worte von Ulrike Hohmann-Lütvogt.

Über die Reise Mendelssohns wusste der Moderationstext so vieles zu erzählen, weil der Komponist seiner Schwester Fanny Hensel, geborene Mendelssohn und ebenfalls Komponistin, in mehreren Briefen ausführlich berichtet hatte. Der Frauenkammerchor ex-semble sang deshalb ihr Terzett „Wandl‘ ich in dem Wald des Abends“.

Dann betrat Klaus Mertens die Bühne. Er kommt seit 39 Jahren regelmäßig zu Konzertabenden in die Schuhstadt. In diesem Jahr, in dem der Oratorienchor das 140. Jubiläum seiner Gründung feiert, durfte er natürlich nicht fehlen. Begleitet von Julian Haßler sang er am Klavier Mendelssohns berühmte Vertonung von Heinrich Heines Gedicht „Auf den Flügeln des Gesanges“. Julian Haßler trug sodann zwei „Kinderstücke“ aus op. 72 von Felix Mendelssohn Bartholdy vor. Die Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher erfuhren an diesem Abend, dass Mendelssohn sie ein Jahr nach seinem Besuch den Töchtern des Landrats von Pirmasens geschickt hatte – als Dank dafür, dass sie ihm auf seiner Rückreise vom Musikfest während eines Frühstücks vierhändig auf dem Klavier vorgespielt hatten. 

Zum Abschluss und Höhepunkt des Abends kehrten alle Mitwirkenden auf die Bühne zurück. Zunächst erklang das „Nationallied“ der Pfälzerinnen und Pfälzer. Mendelssohn hatte seiner Schwester in einem Brief die Noten notiert und sie aufgefordert: „Wenn dich ein Pfälzer besucht, spiele es ihm vor. In der Pfalz wird ‚Der Jäger aus Kurpfalz‘ von der Regimentsmusik gespielt, vom Postillion geblasen und auf der Straße gepfiffen.“

Logo: Clara Hohmann
Logo: Clara Hohmann

Dann folgte das Finale mit Mendelssohn „Erster Walpurgisnacht“. Der Oratorienchor und die Kammerphilharmonie Karlsruhe brachten in großer Besetzung das Finale dieser Vertonung von Goethes gleichnamiger Ballade zu Gehör. Klaus Mertens sang die Solopartie. Die Zugabe erinnerte an den Jahrestag des Beginns des grausamen Kriegs im Nahen Osten am Tag nach dem Konzertabend. Es erklang Mendelssohns „Verleih uns Frieden gnädiglich“.

Das Publikum spendete den Mitwirkenden langanhaltenden und stehenden Applaus. Die „Architekten“ dieses Konzertprojekts waren mehr als zufrieden. Der Oratorienchor Pirmasens hatte der Stadt und der Region einen unvergesslichen Abend bereitet, an dem nicht nur die Musik des großen Mendelssohn erklungen war, sondern auch erzählt wurde, wie der Komponist sie selbst in die Region gebracht hatte.

Informationen: 

Moderationstext von Ulrike Hohmann-Lütvogt
Recherchen von Horst Heller

Horst Heller

15.11.2024

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