Zwischenbilanz zum Videoprojekt mit Heinrich Schütz' Becker-Psalter

Eine Gesamteinspielung – viele Chöre! Dies ist die Vision des Botschafterprojektes open_psalter, das anlässlich des Schütz-Jubiläumsjahres 2022 vom Verein Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie vom Verband Deutscher KonzertChöre (VDKC) ins Leben gerufen wurde. Im Zentrum steht der „Becker-Psalter“ von Heinrich Schütz, das wohl am weitesten verbreitete Werk des Komponisten, von dem aber erstaunlicherweise noch keine Gesamteinspielung vorliegt. Eine „Lücke“, die es zu schließen gilt.

Der „Becker-Psalter“ besteht aus 150 Psalmliedern – sangbare Melodien und einfache vierstimmige Sätze laden dazu ein, sich mit diesem Kompositionsschatz auseinanderzusetzen, der von der vielseitigen Handschrift des Sagittarius zeugt und dabei einen Zugang zum Denken und Fühlen der Menschen im 17. Jahrhundert ermöglicht. Nicht zuletzt zeigen die Texte und deren musikalische Ausgestaltung doch, wie nahe wir mit unseren Ängsten, Sorgen und Nöten angesichts von Krieg und Unheil dem Erleben ähnlicher Katastrophen in vergangenen Jahrhunderten sind. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges entstanden, spendete der „Becker-Psalter“ Trost und Hoffnung, gab Kraft und half dabei, allen widrigen Umständen lebensbejahend zu begegnen. Das Spektrum reicht dabei von verhaltenen, durch Trübsal gezeichneten oder vorsichtig ermutigenden Liedern bis hin zu solchen, die leicht, ausgelassen und unbeschwert daherkommen. Sie greifen Gefühlslagen auf, die zeitlos sind, die uns alle betreffen.

Mit dem Projekt open_psalter wird die von Schütz von Beginn an beabsichtigte Teilhabe vieler sangesfreudiger Menschen an Musik in den Mittelpunkt gestellt. Ein reichliches Jahr nach dem Startschuss zeugt die Webseite www.open-psalter.de unbedingt von der Lebendigkeit der Idee: Dort steht bereits mehr als ein Drittel der insgesamt 150 Psalmen zum Anhören und Ansehen zur Verfügung. Dieses Kompendium, das Stück für Stück vervollständigt wird, bildet dabei auf wunderbare Weise die Vielfalt unserer Chorlandschaft ab: Die Bandbreite reicht von Kirchenchören bis hin zu Jugend- und Knabenchören; ausgewiesene Konzertchöre sind ebenso vertreten wie Vokalensembles aus dem kirchlichen oder dem Laienbereich. Aufnahmen mit lediglich zwei Interpret*innen stehen neben solchen, bei denen der satte Klang von 80 Stimmen erschallt. So spiegelt die Summe der unterschiedlichen Besetzungen zugleich wider, wie vielseitig die Einsatzmöglichkeiten der Schütz’schen Kompositionen sind. Der Reichtum an Interpretationsansätzen schlägt sich auch in der Gestaltung der Videos nieder, wovon man sich auf der Projektwebseite überzeugen kann.

Professor Ekkehard Klemm, VDKC-Präsident, würdigt das Videoprojekt:

Schon im Elternhaus begegnete mir Heinrich Schütz im Singkreis meiner Eltern. Mit neun Jahren trat er regelmäßig in mein Leben als Kruzianer in Dresden. Die mit Rudolf Mauersberger und Martin Flämig aufgenommenen Psalmen Davids, Cantiones sacrae sowie viele der Motetten der Geistlichen Chormusik beeindruckten mich bereits als Kind. Welche Pracht der Formen, Farben und Klänge! Der Beckersche Psalter blieb außerhalb des fast täglich zum Mittagstisch erklungenen Satzes „Aller Augen warten auf dich, Herr“ weitgehend unberücksichtigt. Dieses Kompendium geistlicher, geistiger und vor allem künstlerischer Inspiration, das mit einfachsten Mitteln auf kunstvollste Art und Weise die Themen nicht nur der Kriegsjahre der Schütz-Zeit verhandelt, sondern damit auch uns mitten ins Mark trifft, gehört zu den ganz umfassenden Werken der Musikgeschichte. Die Unterstützung des Verbandes Deutscher KonzertChöre VDKC für das Projekt open_psalter war mir deshalb ein besonderes Anliegen, und wir sind dankbar, an der gesamten Dokumentation aller Stücke daraus teilhaben zu dürfen!

Ralf Schöne, VDKC-Generalsekretär, teilt die Begeisterung:

Die Aussicht, open_psalter von der Idee bis zu seiner Umsetzung begleiten zu können, hat mich rasch fasziniert. Die Vorstellung, hier ein Kompendium vieler Chormusikbegeisterter zu schaffen, war von Anfang an ein Motivationsmotor. Schon die ersten Einsendungen bestätigten die zu erwartende Vielfalt der Interpretationen. Dabei ist die zur Verfügung gestellte Internetpräsenz ein benutzerfreundlicher Zugang zu dem beeindruckenden Vorhaben. Es bleibt uns ein Herzensanliegen, es fertigzustellen.

Auch wenn bereits ein großer Schritt getan ist, sind noch einige Psalmen verfügbar. Wir hoffen, weiterhin Interessierte zu erreichen, die ebenfalls Lust haben, mit ihrem Ensemble Teil dieses besonderen Projektes zu werden und ein oder mehrere Psalmlieder einzusingen. Auf jeden Fall stehen zahlreiche Inspirationsquellen auf www.open-psalter.de zur Verfügung.

Sophia Schulz
15.11.2023